Prototyping als eine Möglichkeit die Time-to-Market zu reduzieren.

Time-to-Market (TTM): Methoden zur schnelleren Markteinführung

Time-to-Market (kurz: TTM) ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor für den Erfolg von Unternehmen. Dieser Artikel zeigt, was sich hinter dem Begriff verbirgt, warum eine kurze Time-to-Market ein relevanter Wettbewerbsvorteil ist und wie Unternehmen ihre Entwicklungszeiten effektiv verkürzen können. Konkrete Beispiele von LEGO und Unilever sowie praxiserprobte Taktiken veranschaulichen praxisnah, wie die Time-to-Market verkürzt werden kann.

Definition: Was ist die Time-to-Market?

Time-to-Market (TTM) bezeichnet die Zeitspanne von der Idee bis zur Marktreife eines Produktes. TTM ist mehr als ein rein operativer Begriff. Es ist eine strategische Kennzahl, mit der die Innovationsfähigkeit, Effizienz interner Prozesse und die Effektivität der Zusammenarbeit von Teams sichtbar wird. Unternehmen, die ihre Time-to-Market verstehen und optimieren, schaffen die Basis für nachhaltiges Wachstum und Kundenzufriedenheit. Damit bildet die TTM das Gegenstück zu den Cost-of-Delay.

Start und Ende der Time-to-Market messen

Der Startpunkt der Time-to-Market ist in der Regel der Zeitpunkt, an dem eine Idee konkretisiert wird. Dies kann die formale Genehmigung eines Projektantrags, ein erster Business Case oder der Beginn eines Entwicklungsprozesses sein.

Der Endpunkt ist erreicht, wenn ein Produkt marktreif ist und erfolgreich eingeführt wurde. Dies umfasst nicht nur die Fertigstellung des Produktes, sondern auch den Abschluss von Markttests, den Aufbau von Vertriebsstrukturen und die Verfügbarkeit für den Endkunden.

Ein Produkt gilt als marktreif, wenn es die technischen und funktionalen Anforderungen erfüllt und sich nahtlos in bestehende Prozesse einfügt.

Definition von Time-to-Market
Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon
Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon

Time-to-Market vs. Time-to-Value

Neben der Time-to-Market wird in Unternehmen in den letzten Jahren häufig auch die Time-to-Value als Kennzahl für Entwicklungsprozesse verwendet. Beide Kennzahlen sind relevant: Während die Time-to-Market den Fokus auf Schnelligkeit und Markteinführung legt, hilft die Time-to-Value sicherzustellen, dass der entwickelte Mehrwert auch wirklich relevant ist. Dies lässt sich durch z.B. einen vorgezogene Pre-Launch-Phase ermöglichen, in der Markttest durchgeführt werden. In der Software-Entwicklung gibt es hierfür z.B. Alpha- und Beta-Versionen von Produkten.

Definition von Time-to-Value
Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon
Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon

Time-to-Market vs. Product-Market-fit

Time-to-Market und Product-Market-Fit sind eng miteinander verknüpft, verfolgen jedoch unterschiedliche Ziele. Time-to-Market misst die Geschwindigkeit, mit der ein Produkt von der Idee bis zur Markteinführung entwickelt wird. Product-Market-Fit hingegen beschreibt den Punkt, an dem das Produkt den Markt optimal adressiert und eine signifikante Nachfrage erzeugt. Während eine schnelle Time-to-Market den Unternehmen einen Vorteil in dynamischen Märkten verschafft, stellt der Product-Market-Fit sicher, dass das Produkt tatsächlich den Bedürfnissen der Kunden entspricht.

Beide Konzepte sind entscheidend für den Erfolg. Eine schnelle Markteinführung ohne ausreichende Marktnachfrage ist ebenso wenig nachhaltig wie ein perfektes Produkt, das zu spät auf den Markt kommt.

Time-to-Market vs. Cycle-Time

Betrachtet man die Time-to-Market als Key Performance Indikator (KPI) hat sie eine vergleichbare Aussagekraft wie die Cycle Time aus dem Kontext von Kanban und Lean Management. Anders als die Cycle Time fokussiert die TTM sich jedoch nicht auf einzelne Arbeitsergebnisse sondern auf ein ganzheitliches Produkt oder eine Lösung.

Lead Time vs. Cycle Time
Quelle: Screenful
Quelle: Screenful

Vorteile: Warum ist die Time-to-Market wichtig für Unternehmen?

Die Geschäftswelt verändert sich immer schneller. Eine kurze Time-to-Market ist nicht nur ein wichtiger Wettbewerbsfaktor, sondern oft auch einfach notwendig, um auf technologische, regulatorische oder marktbedingte Veränderungen zu reagieren.

Unternehmen mit einer kurzen TTM reduzieren Risiken und können Chancen schneller nutzen. Im Einzelnen ergeben sich folgende Vorteile:

  1. Reduziertes Investitionsrisiko: Je kürzer die Entwicklungszeit, desto schneller kann ein Unternehmen abschätzen, ob ein Produkt erfolgreich sein wird. Eine kurze Time-to-Market minimiert das Risiko, Ressourcen in Projekte zu investieren, die am Marktbedarf vorbeigehen. Zudem können durch eine schnelle Markteinführung mögliche Fehlentscheidungen frühzeitig korrigiert werden.
  2. Schnellere Umsatzgenerierung: Ein Produkt, das früher auf den Markt kommt, hat mehr Zeit, Umsätze zu generieren und Marktanteile zu sichern. Unternehmen können schneller von den Erlösen profitieren und damit die Rentabilität von Neuentwicklungen steigern. Das stärkt nicht nur die Liquidität, sondern schafft auch Ressourcen für weitere Innovationen.
  3. Erhöhte Wettbewerbsfähigkeit: In dynamischen Märkten ist schnelle Handlungsfähigkeit ein zentraler Vorteil. Unternehmen, die als erste mit neuen Produkten auf den Markt kommen, etablieren sich häufig als Innovationsführer und gewinnen das Vertrauen der Kunden. Daraus resultieren langfristige Wettbewerbsvorteile und eine stärkere Markenwahrnehmung.
  4. Höhere Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Eine kurze Time-to-Market ermöglicht es Unternehmen, schneller auf Marktveränderungen zu reagieren. Ob neue Technologien, veränderte Kundenbedürfnisse oder unerwartete Konkurrenz – wer flexibel agieren kann, bleibt relevant und kann sich besser gegen externe Herausforderungen behaupten.

Beispiele: Wie reduzieren LEGO und Unilever ihre Time-to-Market?

Es gibt viele Beispiele dafür, wie Unternehmen ihre Time-to-Market verkürzen. Die Taktiken sind oft sehr unterschiedlich, wie die folgenden beiden Beispiele von LEGO und Unilever zeigen.

LEGO Ideas verkürzt Entwicklungszeit durch Kundenfeedback

LEGO ist aus keinem Kinderzimmer mehr wegzudenken. Auch die Tatsache, dass LEGO als Gattungsbegriff für alle Steckbausteine verwendet wird, zeigt den umfassenden Erfolg des Unternehmens. Doch auch LEGO hatte in der Vergangenheit immer wieder mit Herausforderungen wie stagnierenden Umsätzen und ineffizienten Prozessen zu kämpfen. Zudem haben auslaufende Patente das Unternehmen weiter unter Druck gesetzt. Bereits Ende der 2000er Jahre musste LEGO vor diesem Hintergrund seine Produktentwicklungszeiten verkürzen und gleichzeitig neue Produkte schaffen, die den Wünschen der Kunden entsprechen.

Um dieses Ziel zu erreichen, rief das Unternehmen die Plattform LEGO Ideas ins Leben. Auf ihr können Fans ihre eigenen Ideen für Modelle einreichen und von der Community bewerten lassen. Erhält ein Vorschlag 10.000 Stimmen, wird er von LEGO geprüft und hat die Chance, als offizielles Set produziert zu werden.

Screenshot von LEGO Ideas
Screenshot von LEGO Ideas (Quelle: Me & Company)
Screenshot von LEGO Ideas (Quelle: Me & Company)

Dieser kollaborative Ansatz hat bis heute große Effekte für das Unternehmen:

Verkürzte Entwicklungszeit: Durch die direkte Einbindung der Kunden konnte LEGO die Time-to-Market für neue Sets von zuvor zwei Jahren auf lediglich sechs Monate reduzieren.

Marktvalidierung: Das Abstimmungssystem fungiert als natürliche Marktforschung, da nur Ideen mit hoher Zustimmung realisiert werden. Dies minimiert das Risiko von Flops und stellt sicher, dass neue Produkte den Kundenwünschen entsprechen.

Vielfältige Produktideen: Die Plattform nutzt die Kreativität der weltweiten Fangemeinde und bringt innovative Konzepte hervor, die LEGO intern möglicherweise nicht entwickelt hätte.

Engagierte Community: Mit über einer Million Mitgliedern bietet LEGO Ideas eine aktive Basis, die sofortiges Feedback und Begeisterung für neue Produktideen liefert.

Erfolgreiche Produkte: Produkte, die über LEGO Ideas entwickelt wurden, avancierten regelmäßig zu Bestsellern. Viele Sets waren bereits kurz nach ihrer Veröffentlichung ausverkauft.

Durch die Integration von Kundenfeedback in den Entwicklungsprozess konnte LEGO nicht nur die Produktentwicklungszeit erheblich verkürzen, sondern auch Produkte schaffen, die genau den Marktbedürfnissen entsprechen. Dieser Ansatz hat die Kundenbindung gestärkt und LEGO als innovatives Unternehmen positioniert, das auf die Wünsche der Community eingeht.

Agilität in der Entwicklung der LEGO Enterprise Plattform

LEGO Ideas ist nicht das einzige Beispiel, das zeigt, wie das dänische Unternehmen seine Time-to-Market reduziert. Auch für die Entwicklung einer eigenen Enterprise Plattform nutzt das Unternehmen seit 2016 agile Arbeitsweisen, um stetig neue Funktionen einzubringen und die Plattform weiterzuentwickeln. Das folgende Video mit Lars Roost und Henrik Kniberg – der insbesondere durch das Spotify Modell bekannt wurde – zeigt, wie das Unternehmen in diesem Feld vorgeht.

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Unilever reduziert TTM für neues Handdesinfektionsmittel auf 6 Wochen mit agilem Vorgehen

Mitten in der COVID-19-Pandemie sah sich Unilever mit einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage nach Hygieneprodukten konfrontiert. Um dieser Herausforderung zu begegnen, beschloss das Unternehmen, ein neues Handdesinfektionsmittel zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.

Durch die Einführung agiler Vorgehensweisen und Strukturen gelang es Unilever, die Entwicklungszeit für das Handdesinfektionsmittel deutlich zu verkürzen. Dazu setzte Unilever auf agile Methoden und Prinzipien. Darüber hinaus bildeten sie funktionsübergreifende Teams, die eng zusammenarbeiteten und schnelle Entscheidungen ermöglichten. Durch iterative Entwicklungszyklen und kontinuierliches Feedback konnte das Unternehmen flexibel auf Veränderungen reagieren und den Entwicklungsprozess effizient gestalten.

Innerhalb von nur sechs Wochen war das neue Produkt marktreif und bereit, die gestiegene Nachfrage zu bedienen. Damit konnte sich Unilever in einem hart umkämpften Marktsegment positionieren. Die verkürzte Entwicklungszeit sparte nicht nur Kosten, sondern reduzierte auch den Ressourcenaufwand durch optimierte und beschleunigte Prozesse.

Vorgehen: 10 Taktiken, um die Time-to-Market zu reduzieren

Eine Verkürzung der Time-to-Market ist für viele Unternehmen eine Herausforderung. Doch mit den richtigen Ansätzen und Maßnahmen lassen sich Entwicklungsprozesse ohne Qualitätsverlust deutlich beschleunigen. Die folgenden zehn Taktiken bieten einen praktischen Leitfaden für Unternehmen, die ihre Produkte schneller auf den Markt bringen wollen:

  1. Klare Orientierung geben: Eine klar definierte Produktvision und eine durchdachte Go-To-Market-Strategie bieten Teams eine zentrale Leitlinie. Sie helfen, den Fokus beizubehalten und klare Prioritäten zu setzen, insbesondere unter Zeitdruck.
  2. Abstimmungsaufwände reduzieren: Crossfunktionale Teams mit Ende-zu-Ende-Verantwortung ermöglichen schnellere Entscheidungen, da alle Kompetenzen gebündelt werden. In produzierenden Bereichen kann eine vertikale Integration, wie sie z. B. Tesla erfolgreich umsetzt, die Abhängigkeit von Zulieferern reduzieren und Prozesse beschleunigen.
  3. Klarheit zur Situation herstellen: Der Einsatz digitaler Tools wie Slack, Teams, Notion und Asana schafft Transparenz und fördert die Kommunikation im Team. Sie helfen, Hindernisse frühzeitig zu erkennen und Entwicklungen effizient zu verfolgen.
  4. Zusammenarbeit verbessern: Agile Vorgehensweisen wie Scrum oder Kanban bieten Teams eine klare Struktur, um flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Durch regelmäßige Abstimmungen und iterative Prozesse wird die Effizienz gesteigert.
  5. Manuelle Tätigkeiten vermeiden: Digitale Tools wie Zapier oder UiPath automatisieren wiederkehrende Aufgaben, wodurch Mitarbeiter mehr Zeit für kreative und strategische Themen haben. So lassen sich Routinetätigkeiten minimieren.
  6. Fokus auf die Kundenperspektive: Methoden wie Design Sprints, Lean Startup oder der von Me & Company entwickelte Innovation Huddle ermöglichen es, Produkte gemeinsam mit Kunden zu entwickeln. Dies führt nicht nur zu höherer Kundenzufriedenheit, sondern verkürzt auch die Iterationszyklen bis zur Marktreife.
  7. Lernen und weiterentwickeln: Regelmäßige Reviews und Retrospektiven fördern eine Kultur der stetigen Verbesserung. Durch die Analyse von KPIs und Arbeitsergebnissen können Teams Prozesse optimieren und potenzielle Barrieren frühzeitig abbauen.
  8. Pragmatisch entwickeln: Rapid Prototyping und Minimum-Viable-Products (MVP) helfen, Ideen frühzeitig zu testen. So können Teams schneller Feedback einholen und Produkte schrittweise verbessern.
  9. Passende Haltung etablieren: Eine Kultur, die Experimentieren und Lernen fördert, trägt zu einer höheren Effizienz bei. Teams, die sich in einem psychologisch sicheren Umfeld bewegen, können sich auf das Wesentliche konzentrieren, ohne Angst vor Fehlern haben zu müssen.
  10. Engpässe abbauen: Mit Hilfe des POOGI-Vorgehens der Theory of Constrains werden Engpässe wie Konflikte, Ressourcenknappheit oder Verschwendung sichtbar. Teams können auf dieser Basis gezielte Maßnahmen zur Organisationsentwicklung ergreifen und diese Engpässe abbauen.

Fazit: Time-to-Market als Wettbewerbsvorteil nutzen

Die Verkürzung der Time-to-Market ist kein Selbstzweck. Sie erfordert Mut zur Veränderung, eine klare Strategie und den Willen, ausgetretene Pfade zu verlassen. Aber der Lohn ist hoch: zufriedenere Kunden, geringere Kosten und eine gestärkte Position auf dem Markt. Wer heute in Geschwindigkeit investiert, hat morgen die Nase vorn.

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