Psychologische Sicherheit: 5 Maßnahmen für erfolgreiche Teams
Psychologische Sicherheit ist die geheime Zutat von high-performing Teams. Ein sicheres Umfeld bildet das Fundament für Kreativität, hohe Motivation und herausragende Ergebnisse. In diesem Artikel lernen Sie, was psychologische Sicherheit ist, wie es mit Agilität zusammenspielt und wie Sie es fördern können.
Psychologische Sicherheit kompakt definiert
Psychologische Sicherheit ist ein Konzept, das den Rahmen für Vertrauen, Inklusion und Teilhabe in einem Team oder einer Gruppe ermöglicht. Sie schafft ein positives Arbeitsklima, in dem Mitarbeitende ihre Meinungen frei äußern und kreative Lösungen entwickeln können. Führungskräfte stellen psychologische Sicherheit her, indem sie offene Kommunikation fördern und eine positive Fehlerkultur unterstützen. Sie geben jedem Teammitglied die Möglichkeit, sich einzubringen und gehört zu werden. Außerdem sollten Führungskräfte dafür sorgen, dass Entscheidungen transparent und gerecht getroffen werden.
Psychologische Sicherheit beschreibt das Gefühl, dass man in einer Gruppe (z.B. in einem Team oder einer Organisation) ohne Angst oder Sorge seine Meinungen und Gedanken äußern kann. Es ist ein Klima, in dem Menschen sich sicher und unterstützt fühlen, ihre Stärken und Schwächen zu zeigen und aktiv an Diskussionen und Entscheidungen teilzunehmen.
Indikatoren hierfür können sein:
- Menschen sind bereit, Risiken einzugehen und ihre Ideen frei zu teilen.
- Menschen sprechen Probleme und schwierige Themen an und suchen nach Lösungen.
- Menschen äußern Meinungen oder kritische Perspektiven ohne Angst vor Sanktionen, Strafen oder sozialer Ausgrenzung.
- Menschen sind zuversichtlich, dass ihre Fehler nicht gegen sie verwendet werden, sondern als Chance zum Lernen und zur Verbesserung gesehen werden.
- Menschen vertrauen darauf, dass ihre Teamkollegen nicht in einer Weise handeln werden, die ihre Bemühungen oder ihre Arbeit unterminieren.
Entstehung und Hintergründe zum Konzept
Das Konzept der psychologischen Sicherheit wurde erstmals von der Harvard-Psychologin Amy Edmonson vorgestellt. Sie beobachtete, dass Teams in Umgebungen, in denen Fehler negative Konsequenzen haben, Risiken vermeiden und weniger Informationen austauschen. In ihren Studien fand Edmonson heraus, dass psychologische Sicherheit nötig sei, um kreatives Denken und innovative Lösungen zu fördern. Seit der Veröffentlichung des Konzepts hat es zunehmend Aufmerksamkeit in der Organisations- und Managementforschung sowie in der Praxis erfahren. Es gilt als ein entscheidender Faktor für den Erfolg von Teams und Organisationen.
Es gibt diverse Studien zum Thema „Psychologische Sicherheit“. Dabei kommen Hochschulen wie die Universität von North Carolina, Beratungen wie McKinsey oder neutrale Organisationen wie Catalyst zu sehr vergleichbaren Ergebnissen. Und auch auf Unternehmensseite gibt es diverse Fallbeispiele.
Googles Forschungsprojekt Aristoteles
Durch Edmonsons Forschung inspiriert, startete auch der Internetgigant Google mit seinem Forschungsprojekt Aristoteles eine Studie zum Thema „Psychologische Sicherheit“. Aristoteles nutzte Daten aus Googles eigener Arbeitsumgebung und von anderen Unternehmen, um Faktoren zu identifizieren, die zur Schaffung einer psychologisch sicheren Arbeitsumgebung beitragen.
Die Studie fand heraus, dass eine starke Kultur der psychologischen Sicherheit entscheidend für den Erfolg von Teams sei und dass Führungskräfte eine aktive Rolle bei der Schaffung dieser Umgebung spielen müssten. Daraufhin führte Google Maßnahmen zur Förderung psychologischer Sicherheit in seiner Arbeitskultur ein, darunter klare Kommunikationsrichtlinien, Schulungen für Führungskräfte und regelmäßige Feedback-Schleifen.
Studie der Universität von North Carolina
Barbara Fredrickson ist Professorin für Psychologie und Neurowissenschaften an der University of North Carolina. In ihrer Arbeit untersuchte sie die Wirkung von positiven Emotionen wie Vertrauen, Neugier, Zuversicht und Inspiration. Dabei fand sie heraus, dass diese helfen, psychologische, soziale und physische Ressourcen aufzubauen. Ein Gefühl von Sicherheit sorge dafür, dass man aufgeschlossener, widerstandsfähiger, motivierter und ausdauernder ist. In Gruppen steigt der Humor und es werden kognitive Prozesse freigesetzt, die für Kreativität nötig sind.
Weitere Studien zu psychologischer Sicherheit
5 Vorteile für psychologische Sicherheit
Immer wieder gibt es positive Geschichten und Fallbeispiele, die zeigen, welche Vorteile eine psychologisch sichere Arbeitsumgebung hat. In einem Interview berichtet der Managementberater und renommierte Speaker Simon Sinek von einem Las-Vegas-Aufenthalt im Four Seasons Hotel.
Psychologische Sicherheit hat große Effekte auf das Team. In der Folge formt es eine positive Kultur, die sich sowohl auf das Kundenerlebnis als auch auf Partnerschaften, z.B. mit Zulieferern, auswirkt.
Die wesentlichen Vorteile einer psychologisch sicheren Umgebung lassen sich mit fünf Punkten beschreiben:
- Verbesserte Kommunikation und Zusammenarbeit: Eine positive Arbeitskultur, in der sich alle sicher fühlen, kann die Kommunikation und Zusammenarbeit verbessern.
- Steigerung der Leistung und Motivation: Wenn Mitarbeitende in einem sicheren Arbeitsumfeld arbeiten, fühlen sie sich motivierter und leistungsstärker.
- Reduktion von Konflikten und Fehlern: Psychologische Sicherheit kann Konflikte und Fehler reduzieren, da Mitarbeitende bereit sind, ihre Probleme und Schwächen anzusprechen.
- Förderung von Innovation und Kreativität: Wenn Mitarbeitende sich sicher fühlen, sind sie eher bereit, neue Ideen vorzuschlagen und ihre Kreativität zu entfalten.
- Attraktivität als Arbeitgeber: Ein Unternehmen, das sich für die psychologische Sicherheit seiner Mitarbeitende einsetzt, kann attraktiver für potenzielle Bewerber*innen werden und somit die Möglichkeit haben, die besten Talente anzuziehen.
Psychologische Sicherheit fördern
Psychologische Sicherheit im Arbeitsumfeld ist von großer Bedeutung, um eine produktive und motivierte Arbeitsumgebung zu schaffen. Dabei fördern verschiedene Ansätzen den Aufbau und Erhalt einer sicheren Umgebung:
Empathie aufbauen
Empathie ist die Grundlage für psychologische Sicherheit. Es geht darum, gegenseitiges Verständnis und Vertrauen aufzubauen. Alle Beteiligten müssen verstehen, dass Mitarbeitende keine Maschinen sind, sondern Menschen mit eigenen Bedürfnissen, Ängsten und Problemen. So formuliert es ISM-Professor Nico Rose in einem Beitrag des Harvard Business Manager.
Teams und Führungskräfte sollten Vorurteile und Verurteilungen vermeiden und stattdessen eine neugierige, coachähnliche Haltung einnehmen. Insbesondere bei Konflikten ist es wichtig, die Perspektive des anderen zu verstehen und zu akzeptieren, dass es mehrere Sichtweisen geben kann.
Um Empathie innerhalb eines Teams aufzubauen, gibt es verschiedene Methoden. Beispielsweise:
- Fragetechniken wie 5W
- Analyse nach dem Golden Circle
- Gespräch über Probleme und Wünsche aller Beteiligten
Risiken mit agilen Arbeitsweisen managen
Agile Arbeitsweisen, wie sie im Rahmen des Scrum– oder Lean Startup-Frameworks praktiziert werden, helfen dabei, typische Risiken in der Arbeit zu begegnen und psychologische Sicherheit zu fördern. Durch das iterative Arbeiten in kleinen Schritten, erhöht sich die Anpassungsfähigkeit und man vermeidet lange Planungsaufwände.
Führungskräfte spielen eine wichtige Rolle , die Qualität von Entscheidungen im Team zu erhöhen. Regelmäßiger Austausch mit Stakeholdern, insbesondere mit Nutzern, sowie der Aufbau einer Datenbasis sind hierfür das Fundament. Durch den Einsatz von Methoden wie dem Kano-Modell kann man Arbeit nach ihrem Wert priorisieren und so das Risiko verringern, Zeit in unwichtige Themen zu verschwenden.
Diese Ansätze tragen dazu bei, dass sich das Team auf die wichtigsten Aufgaben konzentrieren kann, was zu mehr Effizienz und einem stärkeren Sicherheitsempfinden führt. Mitarbeitende können Risiken und Veränderungen selbstbewusster begegnen, was ein wichtiger Bestandteil für psychologische Sicherheit im Arbeitsumfeld ist.
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Leitplanken definieren
Führungskräfte fördern psychologische Sicherheit in Teams, indem sie gemeinsam mit dem Team Ziele und Prinzipien der Zusammenarbeit definieren. Auf diese Weise schaffen sie einen sicheren Rahmen, in dem Teams frei agieren.
Zielbild oder Vision entwickeln
Ein klares Zielbild, wie eine Vision oder ein strategisches Ziel, hilft dem Team dabei, sich auf die Lösung inhaltlicher Herausforderungen zu konzentrieren. Gemeinsam definierte Anforderungen tragen dazu bei, die Vorstellungen zum gewünschten Ergebnis zu schärfen.
Gemeinsame Normen festlegen
Gemeinsame Normen, wie sie in einem Team-Manifest festgelegt werden, helfen dabei, sich auf die Lösung inhaltlicher Herausforderungen zu fokussieren. Hierbei ist es jedoch wichtig, dass diese Normen auch gelebt werden und nicht nur auf Plakaten an der Wand hängen. Führungskräfte und Teams sollten sich immer wieder auf diese Dokumente beziehen, um das Verständnis für die gemeinsame Richtung zu stärken.
Ein positives Beispiel hierfür ist das Culture Deck von Netflix. Bereits 2009 hat Gründer Reed Hastings wichtige Normen der Zusammenarbeit in einer Präsentation zusammengefasst und veröffentlicht. In den folgenden Jahren wurde das Culture Deck immer wieder aktualisiert und hat so zu einer einzigartigen Kultur und unternehmerischem Erfolg beigetragen.
Freiräume geben
Ein sicherer Rahmen für Freiraum und eigenverantwortliches Handeln lässt sich schaffen, indem Führungskräfte von einer direktiven Haltung in eine unterstützende Führung wechseln. Hierbei kann man sich an dem Konzept des „Dezentralen Kommandos“ von Ex-Navy-SEAL Jocko Willink aus seinem Buch „Extreme Ownership“ orientieren. Dies fördert das Selbstbewusstsein und die Kreativität der Mitarbeitende und trägt zur psychologischen Sicherheit bei.
Positive Fehlerkultur etablieren
Eine positive Fehlerkultur fördert psychologische Sicherheit. Sie legt den Fokus auf das Lernen und die Verbesserung und minimiert Angst vor Fehlern. Führungskräfte etablieren eine solche Kultur, indem sie ein Growth Mindset entwickeln und dieses im Team fördern. Diese Haltung betrachtet Fehler als Teil des Lernprozesses und vermeidet den Umgang mit der Schuldfrage. Auf diese Weise entsteht das Selbstbewusstsein, auf andere zuzugehen und die eigene Komfortzone zu verlassen.
We aim to make mistakes faster than anyone else.
Hierzu hilft es, wenn Führungskräfte auch ihre eigenen Fehler zugeben und verletzliche Seiten zeigen. Damit bauen sie Vertrauen auf und geben anderen die Sicherheit, ebenfalls offen über Schwächen zu sprechen. Der Online-Versandhändler OTTO hat hierfür ein eigenes Format entwickelt: Regelmäßig veranstalten die Hamburger sogenannte „Fuckup Nights“, bei denen Fehler und Misserfolge offen geteilt werden.
Eine weitere Möglichkeit, Probleme offen anzusprechen und Lösungen zu entwickeln, sind agile Retrospektiven aus den Scrum Events. Dabei werden unter anderem Herausforderungen und Fehler thematisiert, die im Arbeitsalltag auftreten. In einer positiven Fehlerkultur werden diese nicht als Versagen betrachtet, sondern als Chance zur Verbesserung. Agile Retrospektiven fördern diese Sichtweise, indem sie einen sicheren Raum für das offene Gespräch über Probleme und Fehler schaffen. Auf diese Weise kann das Team Lösungen entwickeln und Fehler vermeiden, die in der Vergangenheit gemacht wurden.
Das britische HealthTec-Unternehmen Mayden hat hierzu eine „No blame“-Kultur etabliert. In den regelmäßigen Retrospektiven wird immer wieder hervorgehoben, dass es sich um „Safe Spaces“ handelt. Für Mayden bedeutet dies, dass der Fokus im Austausch nicht auf Schuldzuweisung gelegt wird, sondern auf den Vorfall.
Unsere 'No blame'-Haltung ermutigt die Teammitglier*innen dazu, im Problemfall Alarm zu schlagen, selbst wenn sie schuld sind. Und die Probleme werden schnell gelöst. Das schafft eine Kultur des Vertrauens. Die Leute haben keine Angst davor, 'der Sündenbock' zu sein.
Durch diese Haltung herrscht im Unternehmen großes Vertrauen. Teammitglieder*innen übernehmen Verantwortung für die Probleme und trauen sich vollkommen offen über ihre Fehler zu sprechen. Auf diese Weise können Vorfälle genauer analysiert werden. Das führt zu besseren Praktiken und Lösungen, damit diese sich nicht wiederholen. In der Folge steigt die Qualität der Ergebnisse fortlaufend.
Wertschätzender und respektvoller Umgang
Sprache und Umgang im Team bilden einen wesentlichen Teil des Arbeitsklimas und tragen entscheidend zur psychologischen Sicherheit bei. Methoden wie Radical Candor und Gewaltfreie Kommunikation helfen dabei, kritische Themen offen anzusprechen und eine positive Fehlerkultur zu fördern.
Es ist wichtig, Augenhöhe im Austausch herzustellen und sicherzustellen, dass jedes Teammitglied sich gehört fühlt. Durch Techniken wie Timeboxing kann der Redeanteil gleichmäßig verteilt werden, um zu verhindern, dass Einzelpersonen zu viel Raum einnehmen. Eine Moderation durch einen Agile Coach sorgt dafür, dass Meetings zielführend bleiben.
Regelmäßiges, wertschätzendes Feedback ist ein weiterer wichtiger Faktor, um eine positive Arbeitsumgebung zu schaffen. Alle Teammitglieder sollten die Fähigkeit, Feedback zu geben und zu empfangen, erwerben und pflegen.
Im Gegensatz dazu hilft es, auf Sarkasmus und Ironie zu achten. Sie sind oft Warnzeichen für Unsicherheit und eine schwierige Arbeitsumgebung.
Psychologische Sicherheit messen
Eine Möglichkeit, die psychologische Sicherheit in einem Team zu messen, ist durch Mitarbeiterumfragen. Google hat beispielsweise den Faktor mit einer einfachen Frage überprüft: „Wie sicher sind Sie, dass Sie keine Sanktionen oder Kritik erhalten, wenn Sie einen Fehler zugeben oder einen Fehler machen?“ Diese Art von Feedback gibt den Führungskräften ein besseres Verständnis dafür, wie sicher ihre Mitarbeitende sind, Fehler zuzugeben und zu lernen. Solche Umfragen können regelmäßig durchgeführt werden, um den Fortschritt in der Entwicklung einer positiven Fehlerkultur zu verfolgen.
Fazit
Psychologische Sicherheit spielt eine wichtige Rolle in der Arbeitsumgebung und hat direkte Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Motivation der Mitarbeitende. Durch die Etablierung einer positiven Fehlerkultur, einem wertschätzenden und respektvollen Umgang im Team und regelmäßiges Feedback kann psychologische Sicherheit gestärkt werden.
Methoden wie Agile Retrospektiven, Radical Candor und Gewaltfreie Kommunikation unterstützen dabei, eine positive Arbeitsumgebung zu schaffen, damit Mitarbeitende ihr volles Potenzial entfalten können. Doch der wichtigste Startpunkt ist die eigene Reflexion, wie man zu einer sicheren Umgebung beitragen kann.