Agile Coach und Teammitglied vor einem Kanban-Board

Kanban-Prinzipien: Die 4 Leitplanken des agilen Frameworks

Als eines, der bekanntesten agilen Frameworks ist Kanban eine häufig gewählte Option zur Organisation der täglichen Arbeit. Doch was genau zeichnet Kanban aus? Neben Kanban-Board und -Karten sind es im Kern vier Prinzipien, die das Vorgehensmodell erfolgreich machen. Dieser Artikel stellt die Kanban-Prinzipien detailliert vor und gibt konkrete Tipps, um sie im Arbeitsalltag umzusetzen.

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Kanban als agiles Framework

Neben Scrum ist Kanban das am weitesten verbreitete agile Vorgehensmodell. Es bietet Teams eine flexible und effiziente Möglichkeit zur Koordination ihrer Arbeit.

Innerhalb des Frameworks ist das Kanban-Board das zentrale Element. Auf dieser Tafel visualisiert das Team seinen Arbeitsfluss über verschiedene Phasen und Spalten. Es platziert jede einzelne Aufgabe auf Kanban-Karten auf dem Board und bewegt diese je nach Status durch die Phasen bzw. Spalten.

Visualisierung des Wertstroms von High Performance Teams mit Kanban
Typisches Kanban-Board mit Karten
Typisches Kanban-Board mit Karten

Die Darstellung des Arbeitsablaufs und der in Bearbeitung befindlichen Aufgaben ermöglicht es den Teammitgliedern, auf einen Blick den Status der Arbeit zu erkennen. Engpässe, Verzögerungen und Blockaden werden auf diesem Weg frühzeitig sichtbar und das Team kann entsprechend schnell reagieren.

Ursprünglich in den 1940er Jahren innerhalb der Toyota-Produktionskette in Japan entwickelt, hat sich Kanban weit über die Grenzen der Fertigungsindustrie hinaus verbreitet. Heute wird das Framework in vielen verschiedenen Branchen und Kontexten eingesetzt, von der Softwareentwicklung bis hin zum Marketing.

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Kanban-Prinzipien vs. Kanban-Werte

Die Begriffe „Prinzipien“ und „Werte“ werden im Alltag häufig verwechselt oder synonym verwendet. Dabei handelt es sich bei agilen Prinzipien und Werten um zwei unterschiedliche Ebenen.

Prinzipien sind operative Leitplanken, an denen sich agile Teams orientieren sollen, um das Framework richtig zu nutzen. Die Werte sind hingegen ein ethisches Fundament für das Verhalten und die Einstellung innerhalb des Teams.

Kanban legt folgende Werte für Teams fest, die mit dem Framework arbeiten:

  • Respekt: Die Mitglieder eines Kanban-Teams sollen einander Wertschätzung entgegenbringen und die Beiträge jedes Einzelnen schätzen.
  • Transparenz: Offene Kommunikation und das Teilen von Informationen sind zentrale Aspekte innerhalb der Gruppe und gegenüber relevanten Stakeholder*innen.
  • Arbeitsfluss: Teams sollen einen kontinuierlichen, ununterbrochenen Arbeitsfluss anstreben.
  • Verständnis: Teams sollen ihr Verständnis für die Aufgaben und Herausforderungen der Arbeit stetig vertiefen.
  • Kollaboration: Zusammenarbeit und Teamarbeit sind entscheidende Faktoren für den Erfolg eines Kanban-Teams.
  • Balance: Kanban-Teams sollen ein Gleichgewicht zwischen der Menge an Arbeit und der Kapazität des Teams anstreben.
  • Führung: Jeder im Team wird ermutigt, Verantwortung zu übernehmen und bei der Verbesserung von Prozessen mitzuwirken.
  • Kundenfokus: Die Bedürfnisse des Kunden stehen stets im Mittelpunkt und die Arbeit wird entsprechend ausgerichtet.
  • Vereinbarung: Alle Mitglieder des Kanban-Teams sollen sich auf gemeinsame Ziele und Methoden einigen.

Kanban-Prinzipien vs. Kanban-Praktiken

Ähnlich wie bei den Kanban-Prinzipien und -Werten kommt es im Alltag auch zu Verwechslungen zwischen den Kanban-Prinzipien und den Kanban-Praktiken. Während die Prinzipien als strategische Leitlinien dienen, sind Praktiken konkrete Regeln, an die sich Kanban-Teams im Alltag halten, damit das Framework funktioniert. Dies sind die sechs Kanban-Praktiken, die ein Team anwenden sollte:

  • Mach Arbeit sichtbar: Das Team sollte den Arbeitsfluss und den Status von Aufgaben transparent darstellen, meist durch ein Kanban-Board.
  • Begrenze die Menge angefangener Arbeit: Um Überlastung zu vermeiden, sollte das Team die Anzahl der gleichzeitig in Bearbeitung befindlichen Aufgaben mit Hilfe von WIP-Limits begrenzen.
  • Miss und steuere den Arbeitsfluss: Indem der Arbeitsfluss beispielsweise mit der Cycle Time gemessen und überwacht wird, kann das Team Engpässe identifizieren und Prozesse entsprechend anpassen.
  • Mach Prozess-Regeln explizit: Klare, gut verstandene Regeln helfen dem Team, konsistent zu arbeiten und Missverständnisse zu vermeiden. Viele Teams erklären Regeln und Definitionen direkt auf den Kanban-Boards.
  • Implementiere Lern- und Feedback-Möglichkeiten: Durch regelmäßige Retrospektiven und Reviews kann das Team von Erfahrungen lernen und sich kontinuierlich verbessern.
  • Führe gemeinschaftlich Verbesserungen ein: Alle Teammitglieder sind aufgefordert, bei der Verbesserung von Prozessen mitzuwirken und Innovationen voranzutreiben.
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Scrum: Team diskutiert an Wand mit Post-its

Die 4 Prinzipien von Kanban

Die Kanban-Prinzipien dienen als strategische Leitplanken für die Implementierung und Anwendung des Kanban-Frameworks. Sie bieten Teams eine Richtung und Orientierung, wie sie ihre Arbeit organisieren und verbessern können. Während die bereits genannten Werte und Praktiken die ethische Grundlage sowie die konkreten Handlungen innerhalb eines Kanban-Teams darstellen, bilden die Prinzipien den roten Faden, der durch das gesamte Kanban-System verläuft.

Die vier Prinzipien von Kanban sind:

  1. Beginne mit dem, was du gerade tust: Die Einführung von Kanban bedeutet nicht, dass alles auf einmal umgeworfen wird. Es startet mit dem Status Quo.
  2. Vereinbare, dass evolutionäre Veränderung verfolgt wird: Kanban fördert eine schrittweise, kontinuierliche Verbesserung anstatt radikale Änderungen.
  3. Respektiere initial bestehende Prozesse, Rollen, Verantwortlichkeiten und Job-Titel: Kanban erkennt an, dass aktuelle Prozesse und Strukturen einen bestimmten Wert und Zweck haben.
  4. Ermutige Menschen aller Ebenen Führung zu übernehmen: Jeder im Team ist aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen und bei der Verbesserung der Prozesse mitzuwirken.

In den folgenden Abschnitten werden diese vier Prinzipien ausführlich erläutert, um zu verdeutlichen, wie sie in die Praxis umgesetzt werden können.

Kanban-Prinzip 1: Beginne mit dem, was du gerade tust

„Beginne mit dem, was du gerade tust“, ist eine klare Aufforderung, Kanban nicht in einer idealisierten oder speziell geschaffenen Umgebung einzusetzen, sondern in der aktuellen Arbeitssituation und möglichst ohne Verzögerung zu starten.

Wenn Unternehmen agile Methoden oder Frameworks wie Kanban einführen, ist dies ein verbreiteter Fehler: Sie suchen nach einem besonderen Projekt oder versuchen, bestimmte Rahmenbedingungen zu schaffen, um es zu implementieren. Häufig führt dies dazu, dass die wirklichen Herausforderungen des Tagesgeschäfts übersehen oder gar ignoriert werden. Damit steigt die Arbeitsbelastung für die operativen Teams und die Akzeptanz zur Veränderung sinkt.

Darüber hinaus kann diese Herangehensweise auch zu unnötigen Verzögerungen führen. Manchmal dient sie auch als Ausrede, um den eigentlichen Start der Kanban-Implementierung hinauszuschieben. Dabei steht dieses Vorgehen im Widerspruch zum Grundgedanken von Kanban, Muda, Mura und Muri – die drei Formen der Verschwendung – zu vermeiden. Kanban soll sich nahtlos in den Arbeitsalltag integrieren und dabei helfen, die Herausforderungen zu bewältigen, an denen Teams ohnehin schon arbeiten.

Das Prinzip „Beginne mit dem, was du gerade tust“ unterstreicht die Vielseitigkeit von Kanban. Es benötigt keine speziellen Situationen oder Rahmenbedingungen und kann unabhängig von der Art der Arbeit, dem Stand der Projekte oder der Komplexität der Aufgaben eingesetzt werden. Es ist ein Werkzeug, das dort ansetzt, wo Sie gerade stehen, und Sie dabei unterstützt, Schritt für Schritt Verbesserungen vorzunehmen.

Kanban-Prinzip 2: Vereinbare, dass evolutionäre Veränderung verfolgt wird

Wie in allen agilen Frameworks sollen Veränderungen auch in Kanban schrittweise und auf iterative Weise vorgenommen werden. Den “Big Bang”, also die Veröffentlichung von großen, damit meist zeit- und kostenintensiven Veränderungen sollten Kanban-Teams um jeden Preis vermeiden.

Der „Big Bang“-Ansatz kann verlockend sein, insbesondere wenn es in einem frühen Stadium größerer Entwicklungen noch offensichtliche Probleme oder Schwachstellen gibt. Er birgt jedoch erhebliche Risiken. Je umfassender und radikaler ein Wandel ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass Widerstände, Unsicherheit und Verwirrung entstehen. In der Produktentwicklung führt das “Big Bang”-Vorgehen häufig auch dazu, dass Teams wichtige Entscheidungen im geschlossenen Umfeld und damit auf Thesen aufbauen müssen. Je umfassender der Prozess, desto größer das Risiko, dass Fehlannahmen letztendlich zu schwerwiegenderen Probleme führen.

Die iterative und inkrementelle Arbeit, die Kanban und andere agile Frameworks wie Scrum oder Lean Startup fördern, ist eine effektivere und nachhaltigere Art, Veränderungen zu implementieren. Sie ermöglicht es Teams, kontinuierlich Verbesserungen vorzunehmen, zu lernen und sich anzupassen, während sie gleichzeitig den operativen Betrieb aufrechterhalten.

Lean Startup Zirkel
Iteratives Arbeiten im Kontext von Lean Startup
Iteratives Arbeiten im Kontext von Lean Startup

Dieser Ansatz steht im Einklang mit dem Demingkreis, auch bekannt als PDCA-Zyklus (Plan, Do, Check, Act). Der Zyklus unterstützt kontinuierliche Verbesserungen durch wiederholtes Planen, Ausführen, Überprüfen und Anpassen.

Bei der Anwendung von Kanban bedeutet dies, dass Teams ihre Arbeitsprozesse immer wieder überprüfen und optimieren. Sie testen neue Methoden, lernen aus den Ergebnissen und passen ihre Vorgehensweise entsprechend an. Durch diese evolutionäre Herangehensweise an Veränderungen können Teams sich kontinuierlich verbessern, ohne den Betrieb zu stören oder unnötig Risiken einzugehen. Ähnlich wie bei Scrum, nutzen auch Kanban-Teams agile Retrospektiven, um Ideen für Verbesserungen zu erarbeiten.

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Kanban-Prinzip 3: Respektiere initial bestehende Prozesse, Rollen, Verantwortlichkeiten und Job-Titel

Dieses Prinzip spricht eine wichtige Facette des Wandels in Organisationen an: die Veränderungsbereitschaft. In nahezu allen Umgebungen rufen Veränderungen, Unsicherheit und Widerstand hervor. Der Effekt verstärkt sich, wenn sie ohne Rücksicht auf etablierte Strukturen und Prozesse durchgeführt werden. Aus diesem Grund ist es entscheidend, zu jedem Zeitpunkt bestehende Prozesse, Rollen und Verantwortlichkeiten zu berücksichtigen. Hierbei helfen verschiedene agile Methoden. Sie strukturieren, visualisieren und ermöglichen einen sachlichen Austausch mit den Stakeholder*innen.

Rollen beschreiben

Agile Role Mapping und die Role Matrix sind Methoden, mit denen die Rollen innerhalb eines Teams und bei relevanten Stakeholder*innen strukturiert werden. Sie helfen dabei, Klarheit über Verantwortlichkeiten zu schaffen und eine Verbindung zwischen Status quo und die durch Kanban ausgelösten Veränderungen herzustellen.

Agile Role Mapping - Role Matrix und Role Prototype
Role Matrix und Role Mapping Karten
Role Matrix und Role Mapping Karten

Prozesse visualisieren

Damit Kanban-Teams Verständnis zu den existierenden Prozessen aufbauen können, kommen Ecosystem Maps, Service Blueprints, UML-Diagramme oder Business Process Model and Notation (BPMN) zum Einsatz. Diese Werkzeuge ermöglichen es, Prozesse zu visualisieren und zu analysieren. Sie helfen dabei, Kanban-Boards zu konzipieren und Felder für Optimierungen zu identifizieren.

Beispiel einer Ecosystem Map von Me & Company
Beispiel einer Ecosystem Map von Me & Company
Beispiel einer Ecosystem Map von Me & Company

Verantwortlichkeiten definieren

Die Klärung der Verantwortlichkeiten ist ein weiterer wichtiger Schritt. In diesem Bereich nutzen agile Teams Methoden, wie Stakeholder Mapping, RACI-Matrix oder Delegation Poker. Sie erlauben ein strukturelles Vorgehen, um Verantwortlichkeiten sichtbar zu machen und reduzieren Konflikte in der Zusammenarbeit.

Abstrahiertes Beispiel einer RACI-Matrix
Abstrahiertes Beispiel einer RACI-Matrix
Abstrahiertes Beispiel einer RACI-Matrix

Kanban-Prinzip 4: Ermutige Menschen aller Ebenen, Führung zu übernehmen

Dieses Kanban-Prinzip zielt auf eine Kultur der Eigenverantwortung ab. Ziel ist es, Verantwortungsübernahme und damit Engagement eines Kanban-Teams zu steigern. Das Prinzip ist für eine erfolgreiche Implementierung ebenso wichtig, wie für die Anwendung von Kanban.

In traditionellen Arbeitsumgebungen liegt die Führung oft bei den Manager*innen oder Personen in höheren Positionen. In vielen Fällen führt dies dazu, dass die Mitarbeitenden sich eher als Befehlsempfänger*innen denn als aktive Teilnehmende sehen. In einem Kanban-Umfeld wird dieses Paradigma durch das vierte Prinzip aufgebrochen. Hier wird erwartet, dass alle Teammitglieder Verantwortung übernehmen, Initiative zeigen und als Führungskräfte in ihrem jeweiligen Bereich agieren.

Dies bedeutet nicht, dass alle Teammitglieder plötzlich Manager*innen werden sollen. Stattdessen geht es darum, dass sie die Führung in ihren jeweiligen Aufgabenbereichen übernehmen. Es wird erwartet, dass sie Entscheidungen treffen, Lösungen vorschlagen, Prozesse verbessern oder einfach nur die Initiative ergreifen, um Probleme zu lösen.

Dieses Prinzip ist eng mit dem Konzept der Selbstorganisation verbunden, das in vielen agilen Frameworks zentraler Bestandteil ist. In selbstorganisierten Teams haben die Mitglieder die Autonomie und die Befugnisse, ihre Arbeit selbst zu steuern und Entscheidungen zu treffen. Dies fördert das Engagement, die Zufriedenheit und die Produktivität und führt letztendlich zu höherer Qualität und schnelleren Lieferzeiten.

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Mehr zur Agile Coach Ausbildung
Ein Agile Coach von Me & Company im Gespräch mit Kunden

Fazit

Die vier Kanban-Prinzipien bilden das Fundament für ein effizientes und flexibles Arbeitsumfeld. Sie fördern eine evolutionäre Veränderung, wertschätzen bestehende Strukturen und ermutigen jeden, Führung zu übernehmen. Durch diese Herangehensweise erleichtert Kanban nicht nur die kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsprozesse, sondern trägt auch zur Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivitätssteigerung bei. Insgesamt bietet Kanban somit einen nachhaltigen Weg, um auf die dynamischen Anforderungen der heutigen Geschäftswelt zu reagieren.

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