Forming, storming, norming, performing: In 4 Phasen zum perfekten Team
Sie stellen ein neues Team zusammen und plötzlich entstehen Konflikte. Dabei kennen sich die betroffenen Kolleg*innen schon seit Jahren vom Mittagstisch. Was verändert sich, wenn sich ein Team ändert? In diesem Artikel erfahren Sie, welche Teamdynamiken der US-Psychologe Bruce Tuckman bereits in den 1960ern aufgedeckt hat und wie Sie Gruppen auf dem Weg zum High Performing Team unterstützen. Und Sie lernen wie forming, storming, norming, performing und Googles Forschungsergebnisse zum perfekten Team zusammenhängen.
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Definition: Das Phasenmodell nach Tuckman
Forming, storming, norming, performing sind vier Phasen, die jede Gruppe in ihrer individuellen Entwicklung zum leistungsstarken Team durchläuft. Dieses einprägsame Modell beschreibt leicht erkennbare Dynamiken, die ein Großteil der Teams zu Beginn einer Zusammenarbeit durchläuft. Dabei ist es nicht entscheidend, ob ein Team neu zusammengestellt oder nur einzelne Protagonisten in der Gruppe hinzugefügt bzw. ersetzt werden.
Das Phasenmodell wurde in den 1960ern vom US-Psychologen Bruce Tuckman entwickelt und im Artikel “Developmental sequence in small groups” veröffentlicht. In 1977 ergänzte Tuckman noch die fünfte Phase “Adjourning”.
Warum allein das Bewusstsein der Phasen forming, storming, norming, performing hilft
Tuckmans Modell hilft seit Jahrzehnten dabei, dass Teammitglieder, Führungskräfte, Personal- und Organisationsentwickler mehr Klarheit über den Reifegrad eines Teams in Hinblick auf ihre gemeinsame Leistungsfähigkeit erhalten. Die vier Phasen forming, storming, norming und performing erklären sehr verständlich, welche Schritte Teams benötigen, damit sie ihre maximale Leistungsfähigkeit entfalten. Zudem hilft das Modell, Dynamiken in der Gruppe einzuschätzen – insbesondere wenn es am Anfang mal knirscht. So können Führungskräfte bei Bedarf entsprechende Maßnahmen ergreifen und den Reifeprozess beschleunigen.
Was es für Teammitglieder bedeutet
Kommt eine neue Gruppe zusammen oder ändert sich ihre Zusammenstellung, dann sind Konflikte oftmals vorprogrammiert. Das Phasenmodell hilft der Gruppe dabei, zu verstehen, warum diese Streitigkeiten und Diskussionen aufkommen. Sind dem Team die vier Phasen bekannt, nimmt es Diskussionen oder Streit als etwas Normales wahr. Sie erkennen, dass diese anstrengende Zeit auch wieder vorbeigeht. Auf diese Weise entsteht eine gewisse Gelassenheit. Der Druck sinkt und die Teammitglieder können mit den Situationen besser umgehen.
Was es für Führungskräfte bedeutet
Für jedes Team ist die Storming-Phase ein enormer Stressfaktor. Das schließt Führungskräfte nicht aus. Sind Sie sich jedoch dem Modell bewusst, reagieren sie den Umständen entsprechend souveräner und geduldiger. Und das ist sehr wichtig, denn es wäre ein großer Fehler, in den ohnehin angespannten Situationen weitere Unruhe und Druck in die Gruppe zu bringen. Eine gute Teamleitung weiß, dass sie in dieser Phase für gute Rahmenbedingungen sorgen muss. Die Konflikte lassen sich nicht vermeiden, aber es ist möglich, dass sie sich schneller auflösen.
Weiß eine Führungskraft, wie sie ein Team auf dem Weg von forming, storming zu norming und performing begleitet, hat das direkt mehrere Vorteile:
- Auf Konflikte vorbereitet sein
Dank des Modells können sich Führungskräfte auf emotionale Gespräche einstellen und entsprechend vorbereiten. Sie können viel aufmerksamer agieren und bereits frühzeitig kritische Situationen erkennen. - Auf Kritik vorbereitet sein
Als Teil des Teams können sie ebenfalls inhaltlich in die Konflikten involviert werden. In diesem Fall heißt es: “nicht überreagieren.” Durch umfangreiches Wissen zu den vier Phasen fällt der selbstbewusste Umgang mit Kritik deutlich leichter. - Für die Zukunft lernen
In der Storming-Phase gibt jedes Teammitglied viel von sich preis und zeigt sich zugleich verletzlich. Da sollte man die Personen nicht frühzeitig oder falsch bewerten, sondern offen bleiben und die Bedürfnisse kennen lernen. Reagiert die Führungskraft richtig, stärkt sie die eigene Position und sammelt wertvolle Erfahrungen.
In vielen Organisationen wird heute für diesen Prozess ein Agile Coach hinzugezogen. Dieser verfügt über agile Werkzeuge und Techniken zur Gesprächsführung. Insbesondere in der Transformation von Organisationen sollte sich die agile Führung des Prozesses und der Werkzeuge bewusst sein. Mehr dazu im weiteren Verlauf des Artikels.
Was es für Organisationsentwickler bedeutet
Geschäftführer*in, Organisationsentwickler*in oder Bereichsleiter*in – ganz gleich, wer das Organigramm eines neuen Teams skizziert: Diese Personen sind in der Regel Beteiligte, aber nicht Betroffene. Denn nur in den seltensten Fällen sind die Teamarchitekten auch Teil der Gruppe. Meist sind sie zudem auch keine Fachexperten in den Rollen, die sie zusammenstellen. Dennoch erwarten sie, das ihre theoretischen Überlegungen zu einer optimalen Zusammenstellung in der Praxis zum Erfolg führen. Entstehen dann die typischen Teamdynamiken, müssen sich die Teamarchitekten manchmal für ihre vermeintlich schlechte Leistung rechtfertigen. Doch das is nicht nötig.
In den letzten Jahren wurden viele Bücher und Artikel veröffentlicht, die zeigen wie ein High Performance Team entsteht. Doch selbst wenn Teamentwickler den Schritten folgen, werden Teams häufig nicht vom Start weg die besten Leistungen erbringen. Dann heißt es “Ruhe bewahren.”
Für Experimente in der Zusammensetzung von Rollen, Funktionen und Charakteren sollte man immer Zeit einplanen. Manchmal brauchen Gruppen nur ein paar Tage, manchmal einige Wochen um eine Phase zu durchlaufen. Die Erfahrung zeigt, dass Gruppen meist nach 2-3 Monaten in die Performance-Phase gelangen. Je enger ein Team fokussiert zusammenarbeiten kann, desto schneller findet sich die Gruppe. Sind die Teammitglieder gleichzeitig in mehreren (Projekt-)Teams aktiv, verlängert sich der Zeitraum entsprechend.
An dieser Stelle ist es wichtig zu verstehen, das jede Änderung am System dazu führt, dass es den Prozess neu durchläuft. Das reicht es, wenn sich zum Beispiel an der Zusammenstellung des Teams ändert. Eine klare Zuordnung der Mitglieder in wenigen (Projekt-)Teams sorgt also dafür, das die Gruppe schneller “performt”. Eine wichtige Erkenntnis, die vor allem bei der Auswahl von multidimensionalen Organisationsformen, wie Matrixstrukturen oder Holacracy berücksichtigt werden sollten.
Was es für Personalentwickler bedeutet
Das neue Teams Tuckmans vier Phasen durchlaufen, hat insbesondere für Projekt-orientierte Organisationen eine hohe Bedeutung. Hier sind Einzelpersonen vermehrt Mitglied in komplexen Teamstrukturen, die sich häufig wechseln. Werbeagenturen, Beratungsunternehmen, aber auch Projektorganisationen in der IT oder anderen Unternehmensbereichen gehören dazu.
Dass sich die Organisationsstrukturen projektbedingt oft neu ergeben, löst für die Teammitglieder jedes Mal einen Change-Prozess nach Tuckmans Definition aus. Mit jedem Projekt müssen sich neue Verbindungen etablieren. Mit jedem Projektende endet auch die gemeinsame Performance-Phase.
Dieser Wechsel geschieht oft bereits nach einigen wenigen Monaten und ist für betroffene Kolleg*innen eine hohe Belastung. Meist stehen diese Personen unter hohem Druck, entfalten meist nicht ihr volles Potenzial und sind tendenziell daher eher Burnout-gefährdet.
Oftmals wird man in diesen Organisationen auch eine hohe Fluktuation vorfinden. Durch den hohen Druck wechseln Personen alle 2-4 Jahre ihren Job, versuchen schnell Karriere zu machen, um in ruhigere Strukturen zu kommen. Eine hohe Identifikation gibt es ohnehin nicht, da die Verbundenheit im Team regelmäßig durchbrochen wird. In der Konsequenz bedeutet dies, dass immer wieder neue Kolleg*innen eingestellt werden müssen und sich Teams noch häufiger durch den Prozess quälen.
Was passiert in den Phasen forming, storming, norming, performing
So individuell jedes Team ist, so individuell ist auch die Reise von forming, storming, norming, performing bis zur von Tuckman in 1977 nachträglich hinzugefügten fünften Phase adjourning. Diese letzte Phase werden wir im Artikel nur leicht umreißen und nicht detailliert betrachten. Im Folgenden erfahren Sie, was in den weiteren vier Schritten geschieht.
Phase 1: Forming – Ankommen und sich in die Gruppe einfinden
In der Entstehungsphase des Teams sind die Teammitglieder meist voller Vorfreude. Sie lernen die Kolleg*innen kennen und sind begeistert, Teil der Gruppe zu sein. Die Mitglieder haben oft hohe positive Erwartungen an die bevorstehende Arbeit. Gleichzeitig können sie auch eine gewisse Unsicherheit empfinden. Sie fragen sich, wie sie sich in das Team einfügen werden und ob ihre Leistung den Erwartungen entsprechen wird.
Für das Team gibt es in dieser Phase noch viele, ungeklärte Fragen. An vielen Stellen ist noch nicht einmal bekannt, dass es Abläufe und Verantwortliche für bestimmte Themen braucht. Die Aufgabe der Gruppe ist es sich im ersten Schritt zu sortieren, Herausforderungen und Ziele zu verstehen. Auf diese Weise werden die Einzelpersonen mit individuellen Zielen zu einem Team mit gemeinsamen Zielen.
In dieser Phase werden Konflikte noch nicht offen von den Mitgliedern ausgesprochen. Die einzelnen Personen wissen nicht, wie die Gruppe mit Bedenken und gegensätzlichen Meinungen umgeht. Hierzu braucht es erste Vorreiter, die trotz Unsicherheit den Mut aufbringen offensichtliche Probleme anzusprechen.
Phase 2: Storming – Auseinandersetzungen und Konflikte beseitigen
Nach einigen Wochen stellt das Team fest, dass es nicht all den Erwartungen der Forming-Phase gerecht werden kann. Es entstehen Frust und Ärger. Manche Teammitglieder werden diesen aktiv ansprechen. Andere werden passiv, in sich gekehrt und zurückgezogen reagieren.
Die Gründe sind vielfältig. Manche mögen genervt sein, weil sie ihre Arbeit anders machen sollen. Sie sind bestimmte Prozesse gewohnt oder möchten transparenter mit ihren Arbeitsergebnissen umgehen. Darauf mögen die Kolleg*innen denken, dass sie sich nur “in ihre Arbeit einmischen wollen”. Ein Machtkampf entsteht.
Ein weiterer Grund kann sein, dass die Gruppe nicht so schnell voran kommt, wie sie erhofft und eventuell auch zugesagt hat. Häufig sind Kolleg*innen einfach nicht aufeinander eingespielt und mangels gemeinsamer Erfahrungen passieren Fehler.
In diesem Kontext glauben die Teammitglieder zu lernen, dass sie sich nicht auf ihre Kolleg*innen verlassen können. Sie machen einander Vorwürfe, bauen Druck auf, werden manchmal ungerecht. Einige Teammitglieder bilden Allianzen, um mit mehr Stärke aufzutreten.
In ihrem Artikel “Using the Stages of Team Development” vergleicht die HR-Expertin des Massachusetts Institute of Technology, Judith Stein, diese Phase mit einem Konzept aus der Entwicklungsphasen von Kindern. In “The terrible Two” – also in unserem zweiten Lebensjahr – entwickeln wir die Grundlagen für unsere Eigenständigkeit. Wir entdecken, dass wir Individuen sind, die zwar Teil einer Gemeinschaft, aber immer noch eigenständige Persönlichkeiten mit eigenen Interessen sein können – und dass das gut so ist.
Ganz ähnlich verhält es sich in der Storming-Phase mit dem Team. Nach einem anfänglich engem Zusammenhalt, in dem die Gruppe sich ein Gefühl der Sicherheit aufbaut, müssen die Mitglieder sich mit neuen Denkmustern anfreunden:
- Im Team geht es nicht um die gemeinsame Kraft. Es kommt auf die individuellen Fähigkeiten, Fertigkeiten und das Wissen jeder Einzelperson an.
- Jedes Mitglied hat eigene Stärken und Schwächen. Die Gruppe hat die Aufgabe diese zu erkennen und auszugleichen. So lassen sich komplizierte Probleme besser lösen.
- Es hilft nicht, die Leistungen jedes Teammitglieds zu bewerten, sondern an der Zusammenarbeit zu arbeiten.
Mit diesen Denkmustern startet die Norming-Phase.
Phase 3: Norming – Gemeinsamkeiten und Stärken entwickeln
Mit all den Diskussionen und Konflikten lernt sich das Team gründlich kennen. Die Mitglieder lernen, wie sich die Haltung und das Werteempfinden der Kolleg*innen im Alltag zeigt. Sie erfahren, wie die formellen Rollen sich auch auf informeller Ebene zusammenfinden.
Auf dieser Basis entwickeln die Mitglieder Taktiken, um im Zusammenspiel leistungsfähig zu sein. Sie finden Gemeinsamkeiten und nutzen die Stärken der Einzelnen für den Erfolg der Gruppe. Diese informellen Normen variieren je nach Team. In dieser Phase zeigt sich, ob die Gruppe Krisen meistern kann und gestärkt daraus hervorgeht.
Phase 4: Performing – Abliefern und besser werden
Erreicht das Team die Performing-Phase, steigt die Stimmung. Während der Storming-Phase haben Konflikte die Gruppe emotional gestresst. Gemeinsame Leistungen konnten nur schwer entstehen. In der Norming-Phase hat sie gelernt, ihre Möglichkeiten zu nutzen. Nun nimmt sie die Arbeit auf, beschäftigt sich weniger mit sich selbst, mehr mit den Inhalten. Ab dieser Phase liegt der Fokus nicht mehr darauf, wie die Gruppe zusammenarbeitet, sondern wie sie ihre Ziele besser und schneller erreicht.
Jedes Teammitglied hat nun seine Rolle und Position in der Gruppe gefunden. Zudem hat die Gruppe Rituale etabliert, mit denen es den Problemen der Storming-Phase frühzeitig und lösungsorientiert entgegnet. Es entsteht eine gemeinsame Teamkultur. Dieser enge Verbund macht ein Team erfolgreich und sorgt dafür, dass es seine Ziele erreichen kann.
Culture eats strategy for breakfast
Phase 5: Adjourning – Verabschieden und sich für Neues öffnen
Diese Phase tritt nur ein, wenn Teams sich teilen oder wichtige Mitglieder die Gruppe verlassen. In diesem Fällen löst sich ein Teamgefüge auf. Dann können die Mitglieder eine Vielzahl von Sorgen und Bedenken haben.
Meist entstehen in diesen Momenten Zukunftsängste. Die einzelnen Teammitglieder sind sich nicht im Klaren, wie es ohne die Gruppe für sie weitergeht. Welche Rolle werden sie in Zukunft einnehmen? Welche Verantwortung werden sie übernehmen (müssen)? Hinzu kann ein Gefühl der Trauer kommen. Insbesondere in Teams mit einer starken Gemeinschaft und einer klaren Kultur, fühlt sich die Trennung wie ein emotionaler Verlust an.
Doch es gibt auch eine andere Perspektive: Neben den negativen Emotionen blicken Teammitglieder auf die gute Zeit zurück. Sie sind stolz auf das gemeinsam Erreichte. War ein Projekt mit hohem Druck verbunden, kann die Gruppe nun auf entspanntere Zeiten blicken.
Diese Gefühle sind nicht binär: Einzelne Personen können trotz des Widerspruchs gleichermaßen Freude und Trauer empfinden. Das Team ist nun sehr emotional und bewegt sich zwischen hochmotiviert und tiefdeprimiert.
Wie unterstützt man die Teamentwicklung mit agilen Methoden
Das Tuckman’sche “Forming, Storming, Norming, Performing”-Modell ist insbesondere in der Welt agiler Arbeit weit verbreitet. Im Rahmen von selbst-organisierten Teams begleiten Agile Coaches den Umgang mit den 4-5 Phasen im operativen Tagesgeschäft. Hierzu bringen sie viele Rituale und agile Methoden ein, die den Teams helfen, schneller in die Performing-Phase zu gelangen.
Um mit forming, storming, norming, performing richtig umzugehen, muss man verstehen, dass es sich nicht um einen linearen Prozess handelt. Der Reifegrad eines Teams ist keine Einbahnstraße und kann sich je nach Dynamik auch rückwärts entwickeln. In der Verhaltensentwicklung ist das nichts Ungewöhnliches. Denken sie nur an Kinder, die ebenfalls verschiedene Phasen durchlaufen, bereits Erlerntes plötzlich nicht mehr können. Dies geschieht häufig, wenn sich die Rahmenbedingungen verändern. Manchmal sind das nur Kleinigkeiten, die im ersten Moment nicht auffallen.
Wie Führungskräfte, Teams und Coaches mit den einzelnen Phasen umgehen können, zeigen die folgenden Tipps und Impulse.
Phase 1: Forming – Rahmenbedingungen schaffen
Für einen guten Ablauf in dieser ersten Phase braucht das Team klare Strukturen. Die Personen sind damit beschäftigt, sich kennen zu lernen und die eigenen Positionen abzustecken. In dieser Situation hilft es, wenn der organisatorische Rahmen leicht zugänglich ist und der Gruppe Orientierung bietet. Folgende Maßnahmen helfen unter anderem in diesem Moment:
- Ziele definieren
- Rollen definieren
- Defizite sichtbar machen
Ziele definieren
Die Gruppe sollte verstehen, warum sie zusammengekommen ist. Was ist die Vision? Wie sieht das langfristige Ziel aus, wie die aktuell wichtigsten Herausforderungen und was sollte in einem Jahr erreicht sein? In diesem Prozess helfen Methoden wie der Golden Circle von Simon Sinek oder das Lean Strategy Board von Me & Company dabei, schnell zu einem gemeinsamen Verständnis zu gelangen.
Rollen definieren
Speziell am Anfang suchen die Teammitglieder ihre formelle und informelle Rolle in der Gruppe. Um diesen Prozess zu beschleunigen, können Führungskräfte oder Agile Coaches die Rollen gemeinsam mit dem Team definieren. Hierbei hilft das Agile Role Mapping. Es besteht aus zwei Schritten. Zuerst beschreibt jedes Mitglied seine Rolle erst prototypisch als kurzen Satz – eine Art Elevator Pitch. Im zweiten Schritt definiert die Gruppe jede Rolle mit vier Fragen:
- Welche Aufgaben habe ich?
- Was darf ich eigenständig entscheiden?
- In welche Prozesse bin ich einzubinden?
- Was muss ich wissen, damit ich die Rolle gut ausführen kann?
Defizite sichtbar machen
Bereits von Beginn an sollte sich das Team daran gewöhnen, sich regelmäßig Feedback zu geben und von Anderen zu erhalten. Hierbei helfen zwei Meeting-Formate aus dem Scrum-Framework, dem bekanntesten, agilen Vorgehensmodell. Die Review und Retrospektive (kurz: Retro) werden typischerweise alle 14 Tage durchgeführt und betrachten unterschiedliche Fragen. Während die Review den Fokus auf Arbeitsergebnisse legt, geht es in der Retrospektive um die Zusammenarbeit.
Speziell in der Anfangszeit kann eine besondere Variante der agilen Retrospektive dem Team noch besser dabei helfen, sich mit den richtigen Fragen zu befassen: Der Team Health Check. Ursprünglich bei Spotify entwickelt, nutzen heute viele agile Teams weltweit dieses Retro-Format.
Dabei werden 8-12 relevante Faktoren gewählt, die für ein gesundes Team stehen. Es sind Ja/Nein-Fragen, die ein Team im Idealfall positiv beantwortet. Bei Me & Company haben wir hierzu den Team Health Check je nach Bedarf unserer Teams mit eigenen Fragen individualisiert. Hier einige Beispiele:
- Haben die Mitglieder Spaß bei der Arbeit?
- Wissen alle, welche Ziele wir verfolgen?
- Kommen wir mit unserer Arbeit schnell voran?
Beantwortet wird mit einer Ampel-Analogie offen in der Gruppe. Nachdem alle Fragen beantwortet sind, spricht man gemeinsam über die nun sichtbar gewordenen Unklarheiten und sucht nach Lösungen.
Phase 2: Storming – Psychologische Sicherheit aufbauen
Auch wenn Führungskräfte in der Forming-Phase alles richtig machen, kommt es früher oder später zu Konflikten. An dieser Stelle helfen vor allem offene Gespräche und eine gute Kommunikation. Die neun Eskalationsstufen von Friedrich Glasl sind ein gutes Hilfsmittel, um die Konflikte einzuordnen. Generell sollte das Team darin trainiert werden, respektvoll Kritik zu äußern. Dazu helfen unter anderem folgende Modelle:
- Radical Candor von Ex-Google und Ex-Apple Mitarbeiterin Kim Scott
- Wertschätzende Kommunikation von Marshall Rosenberg
- GROW-Modell von John Whitmore
Natürlich sind auch in dieser Phase Retrospektiven ein sehr wertvolles Hilfsmittel. Doch viel wichtiger als Methoden, ist die Haltung, in die das Team gebracht werden sollte. Hierzu müssen Agile Coaches und Führungskräfte alles im Rahmen der Situation Mögliche dafür machen, damit die Gruppe psychologische Sicherheit empfindet.
Psychologische Sicherheit
Fehler passieren – in der Storming-Phase sind sie häufig Auslöser für Konflikte. Hier ist es entscheidend, wie sich die Gruppe und Führungskräfte verhalten. Suchen sie den/die Schuldig*en und arbeiten mit Sanktionen? Oder sorgen sie dafür, dass die Gruppe an einer Lösung arbeitet, damit sich der Fehler nicht wiederholt? Diese Reaktionen sind kulturprägend. Je nach Vorgehen entsteht eine Kultur, in der das Team sich künftig versucht zu schützen oder lernt offen mit Problemen umzugehen.
Psychologische Sicherheit bedeutet auch, dass man offen kritisieren darf oder auch mal über seine Probleme und Gefühle spricht. Es bedeutet, dass wir uns unserer Schwächen bewusst sind und damit selbstbewusst, ohne Scham und Sorge vor Regress, Häme oder negativen Konsequenzen umgehen. Einige sprechen in dem Zusammenhang auch von „Speak up“-Kultur.
Bei Google wurde der Wert von psychologischer Sicherheit vor einigen Jahren deutlich, als Matt Sakaguchi, ein erfahrener Teamleiter, an einem Forschungsprogramm zum Thema Team-Performance teilnahm. Innerhalb des Programms musste sein Team verschiedene Tests und Studien durchführen. Sakaguchi war selbstbewusst und ging davon aus, dass sein Team stark und widerstandsfähig war. Doch nachdem die Forschung abgeschlossen war, zeichneten die Ergebnisse ein ganz anderes Bild. Er war überrascht und verwundert. Und so ging er mit seinem Team in ein gemeinsames Wochenende, um über seine neuen Erkenntnisse zu sprechen.
Jahre zuvor war Sakaguchi Teil eines SWAT-Teams. Er war nicht der emotionale Typ, der stets offen über Probleme sprach. Sein persönlicher Stil schien sich auf die Gruppe übertragen zu haben und er überlegte, wie er diesen Umstand ändern könnte. In einer der Gruppengespräche bat er alle, etwas Persönliches von sich zu erzählen. Als gutes Beispiel ging er voran und berichtete, dass ihm in 2001 fortgeschrittener Krebs diagnostiziert wurde. Er ging in die Details, öffnete sich und wurde sehr persönlich. Nach seiner Geschichte taten es ihm viele der Kolleg*innen gleich. Auf diesem Weg brachte er die Gruppe dazu, sich ebenfalls zu öffnen. In der Folge begann die Gruppe, auch während der weiteren Zusammenarbeit offener und ehrlicher miteinander zu sprechen. Sie fühlten sich sicher, weil Sakaguchi sich verletzlich gezeigt hatte.
Psychologische Sicherheit ist auch für den nicht ganz so hippen Southwest-Airlines CEO Herb Kellher ein zentraler Erfolgsfaktor für Agile Führung, wie er im Interview mit CNBC verrät: „Geben Sie den Mitarbeitern psychische Zufriedenheit. So kann es einen guten Job für die Kunden machen.“ Neben Sakaguchi und Kellher gibt es viele Beispiele, die den Wert eines emotional sicheren Arbeitsumfeldes zeigen.
Mit psychologischer Sicherheit kann sich das Team öffnen, über Konflikte sprechen und besser durch die hektische Storming-Phase gelangen. Es gibt Selbstvertrauen, sorgt dafür, dass keine „Cover your ass”-Taktiken zum Einsatz kommen und gemeinsame Lösungen entstehen.
Phase 3: Norming – Gemeinsame Spielregeln definieren
Mit guter Kommunikation und strukturierten Methoden kommt ein Team schneller in die deutlich sachlichere, dritte Phase. Im Norming werden gemeinsame Werte und Normen festgelegt. Es geht um die individuellen Prinzipien der Zusammenarbeit. Viele agile Modelle bringen bereits Prinzipien mit: Das Agile Manifest oder Design Thinking liefern an dieser Stelle jedoch nur Impulse. Wenn es um die Zusammenarbeit in einem Team geht, sollte die Gruppe je nach Kontext und den eigenen Bedürfnissen selbständig die richtigen Mittel auswählen. Dabei gibt es kein Richtig oder Falsch, so lange es den Kunden und damit den Zielen dient.
Um Prinzipien der Zusammenarbeit zu entwicklen, muss man sich bewusst mit dem eigenen Verhalten und den Rahmenbedingungen befassen. Folgende Fragen helfen dabei, gute Prinzipien zu finden:
- Wie sieht ein guter Arbeitstag aus? Wie ein schlechter?
- Welche Verhaltensweisen / Rahmenbedingungen helfen uns besser zu werden? Welche blockieren uns?
- Was ist das Ergebnis aus diesen Verhaltensweisen / Rahmenbedingungen?
Damit die Gruppe die Fragen in einem strukturierten Prozess beantwortet und wertvolle Erkenntnisse gewinnt, hat Dave Gray die Culture Map entwickelt. Mit ihr kann die Gruppe in einem moderierten Format regelmäßig den Alltag betrachten und die Beobachtungen in eine bessere Kultur überführen.
Phase 4: Performing – Zusammenarbeit reflektieren und anpassen
Mit Phase 4 ist das vorläufige Ziel für den Prozess zur Teamentwicklung erreicht. Doch das bedeutet nicht, dass es nichts zu tun gibt: Jedes Team hat das Potenzial besser zu werden. Und so sollte in dieser Phase ein zentrales Prinzip aus dem agilen Kontext in den Alltag der Gruppe einfließen: “Inspect and adapt.”
Das Prinzip besagt, dass die Gruppe regelmäßig ihr eigenes Handeln reflektieren und auf Basis von Erkenntnissen weiterentwickeln soll. Die bereits in Phase 1 eingeführten Retrospektiven und Reviews sind hier eine sehr gute Grundlage. Darüber hinaus in der Performing-Phase die Leistungsfähigkeit des Teams transparent und sichtbar gemacht werden. Je nach Vorgehensmodell, liefern einige agile Frameworks bereits passende Instrumente mit: Sprint Velocity, Cycle Time – es gibt viele Ansätze. Auch Methoden wie Objectives & Key Results sorgen dafür, dass sich ein Team mit dem eigenen Fortschritt befasst.
Oftmals ist es jedoch ein guter erster Schritt, wenn man einfach die wichtigsten Kennzahlen des Teams auf einem Whiteboard im Arbeitsraum pflegt und bespricht.
Phase 5: Adjourning – Selbstbewusstsein stärken
Aller Abschied ist schwer. Da lässt sich nichts beschönigen. Doch wenn Trauer einkehrt, hilft es gemeinsam darüber zu sprechen. Auch wenn der Verlust einer Teamgemeinschaft nicht mit dem Verlust eines geliebten Menschen zu vergleichen ist, so lassen sich auch die Ansätze der Trauerbewältigung auf diese Phase anwenden. Folgende Tipps kann man Teams in der Adjourning-Phase geben:
- Gemeinschaften suchen: Gemeinsame Treffen organisieren – auch nachdem ein Team aufgelöst wurde.
- Sorgen offenlegen: Offen über Zukunfts- und Verlustängste sprechen. Als Gesprächspartner sollte man jede Bewertung vermeiden und lieber mit offenen Fragen die Situation analysieren.
- Kontrollverlust akzeptieren: Auch wenn man es sich anders wünscht – vieles im Leben liegt nicht in der eigenen Verantwortung und Macht. Da hilft nur, diese Realität akzeptieren zu lernen.
- Erfolge feiern: Auf Erfolge konzentrieren und mit einem gemeinsamen Essen oder einer Abschlussparty feiern.
Warum Google die Norming-Phase neu erfindet
Google ist in vielen Bereichen in einer Vorreiterrolle. Auch in Punkto Zusammenarbeit setzt das Unternehmen Maßstäbe. Dieser Umstand entsteht nicht zuletzt, weil sich das einstige Silicon-Valley-Startup intensiv und wissenschaftlich mit vielen Aspekten dieses Themengebiets befasst. Hier eine der Geschichten aus dem Valley.
Julia Rozovsky ist eine der Personen, die das Thema Kollaboration bei Google erforscht, wichtige Erkenntnisse sammelt und veröffentlicht. Bevor sie bei dem Softwareunternehmen startet, studiert sie 2009 an der Yale-University. In der Zusammenarbeit mit Kommilitonen beobachtet sie große Leistungsunterschiede bei sich und in den Gruppen, in denen sie aktiv ist. Das Thema packt sie.
2012 wird sie Teil des Projekts “Aristotle”. Über Jahre erforscht das Team die Zusammenhänge diverser Faktoren in der Teamarbeit in Hinblick auf Leistung und Arbeitsergebnisse. Private Interessen, Bildungshintergrund, Charaktereigenschaften – die Forscher arbeiten detailliert und tiefgründig. Bei Google ist man sehr gut darin, Muster zu erkennen und doch findet die Gruppe zunächst keine zufriedenstellenden Erkenntnisse.
Schließlich gelingt der Durchbruch: Rozovsky und die Kolleg*innen entdecken, dass neben psychologischer Sicherheit vor allem ein gemeinsames Verständnis von Normen innerhalb einer Gruppe für Erfolg oder Misserfolg verantwortlich sind. Die Leistungsfähigkeit steigt, sobald alle Teammitglieder die gleiche Vorstellung davon haben, wie sie zusammenarbeiten wollen. Eine gemeinsame Sicht auf informelle Prinzipien ist ausschlaggebend, aber nicht welche Prinzipien es sind.
Am Beispiel wird es deutlich: Während eine Gruppe es schätzt, dass alle Teammitglieder ihre Perspektive einbringen dürfen und niemand unterbrochen wird, zeigt eine andere gegensätzliches Verhalten. Dort fallen Kolleg*innen einander in Wort, durchbrechen lange Monologe und ergänzen die Ideen der jeweils anderen. Beide Teams sind glücklich und sehr erfolgreich. Beide Teams schätzen den Umgang miteinander.
Für “Forming, Storming, Norming, Performing” lässt sich daraus ableiten, dass es nicht darauf ankommt, wie man zum Ziel sprintet, sondern nur, dass man sich über die Prinzipien der Zusammenarbeit einig ist.