Entscheidungen treffen: 6 Methoden für agile Teams
In einem komplexer werden Umwelt für Unternehmen ist die Zeit der Alleinentscheider*innen vorbei. In unserem Artikel erfahren Sie, wie Sie die Entscheidungsverantwortung ans Team übergeben. Zudem stellen wir Ihnen sechs Methoden vor, mit denen agile Teams gute Entscheidungen treffen können.
Warum ist es wichtig, die richtigen Entscheidungen zu treffen?
Jeder Mensch trifft täglich circa 20.000 Entscheidungen. Die meisten davon sind relativ einfach und werden intuitiv getroffen: Müsli oder Brot zum Frühstück? Mit dem Auto oder der Bahn zur Arbeit? Hierfür benötigt man in der Regel keine Pro- und Kontra-Liste oder andere Entscheidungshilfen.
Manche Entscheidungen sind hingegen komplexer. Gerade im Unternehmenskontext und in Teams können Entscheidungen nicht immer ohne zusätzliche Informationen oder interne Absprachen getroffen werden. Häufig betreffen sie nicht eine einzelne Person und haben in der Regel Auswirkungen auf das Geschäft. Eine falsche oder nicht durchdachte Entscheidung kann durchaus negative Folgen haben wie beispielsweise Umsatzeinbußen oder einen Imageverlust für das Unternehmen.
Beispiel Kodak: Verlust der Marktführerschaft durch fatale Fehlentscheidung
Kodak war ab Mitte des 20. Jahrhunderts globaler Marktführer im Bereich Fotografie und Filmmaterial für analoge Fotokameras.
Diese Position wollte das US-amerikanische Traditionsunternehmen natürlich halten – und traf eine fatale Fehlentscheidung: Als Kodak-Ingenieur Steve Sasson 1975 die erste Digitalkamera entwickelte, befürchtete das Management, dass diese neue Technologie das Hauptgeschäft gefährden würde. Also beschlossen sie, das Thema digitale Fotografie nicht weiter zu verfolgen und auch zukünftig auf analoge Technik zu setzen.
In den 1980er-Jahren fand eine breit angelegte Marktforschungsstudie der Kodak-Führung zwar heraus, dass die Digitalkamera die klassische Kamera verdrängen würde. Dies würde aber noch einige Jahre dauern. Kodak setzte weiterhin auf analoge Fotografie. Der Verkauf von Kameras und dem benötigten Filmmaterial war schließlich lukrativ und brachte dem Unternehmen auch in den 1980er-Jahren große Umsätze. Gleichzeitig verpasste Kodak aber, sich auf die Zukunft vorzubereiten. Als dann die Konkurrenten Digitalkameras präsentierten, geriet der Kamerahersteller ins Hintertreffen: Die Umsätze brachen Ende der 1980er-Jahre dramatisch ein.
Auch als Kodak 1991 schließlich eine eigene erste Digitalkamera einführte, konnte dies den Niedergang nicht stoppen. 2012 musste das Unternehmen schließlich nach 120 Jahren Firmengeschichte Insolvenz anmelden und sein Kerngeschäft aufgeben. Heute verdient die Firma ihr Geld in der Drucktechnologie.
Kodak ist ein klassisches Beispiel für das Innovators Dilemma, das der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Clayton M. Christensen so beschreibt: Die stabilen und effektiven Prozesse hindern marktführende Unternehmen daran, flexibel auf disruptive Innovationen zu reagieren. Sie haben sich an gewisse Umsätze gewöhnt. Das Geschäftsmodell aus dieser Position heraus zu ändern und andere Produkte oder Märkte in den Fokus zu nehmen, ist schwierig bis unmöglich. Also verlassen sie sich auf das bewährte Geschäftsmodell. Die Ironie an der Geschichte: Die Technologie, die den Abstieg von Kodak einläutete, war im eigenen Haus entwickelt worden.
Beispiel Me & Company: Lernen aus einer Fehlentscheidung
Aber natürlich machen nicht nur alteingesessene Unternehmen Fehler. Auch junge Firmen und Start-ups unterlaufen in ihrer Entwicklung Missgeschicke und Fehleinschätzungen. Me & Company hat seit seiner Gründung 2012 einige Fehler gemacht. Aus den meisten haben wir gelernt und uns weiterentwickelt. Ein Beispiel:
Anfangs ist unser Team schnell gewachsen. In den ersten Jahren waren wir als Arbeitgeber aber vor allem für junge Bewerber*innen mit wenig Berufserfahrung attraktiv. Aus Unternehmersicht ein Risiko, denn unsere Ergebnisqualität sollte stimmen und das bedeutete viel Fortbildung. Stellte dies nicht ein zu großes wirtschaftliches Risiko für unser Unternehmen dar? Uns stellte sich die Frage: Reicht eine sechsmonatige Probezeit, um zu bewerten, ob ein*e neue*r Kolleg*in die eingenommene Rolle ausüben kann? Vanessa und Nils, damals noch in der klassischen Geschäftsführungsrolle, kamen zu dem Schluss, dass ein halbes Jahr hierfür nicht ausreicht. Die Entscheidung: Statt mit unbefristeten Arbeitsverträgen sollten Mitarbeitende zukünftig zunächst mit einem Ein-Jahresvertrag ausgestattet werden. Bewährt sich der*die neue Kolleg*in, wird der Vertrag entfristet.
Entscheidung stößt auf wenig Gegenliebe
Das Team lehnte die Entscheidung jedoch entschieden ab, da sie gegen unsere Kultur und unser Selbstverständnis sei. Die Unternehmenskultur von Me & Company baut auf Vertrauen, die Entscheidung gleicht aber einem Misstrauensvotum gegenüber dem*der Bewerber*in.
“Wir wollen das Risiko für Me & Company minimieren. Wenn wir die Anpassung nicht vornehmen, wird das zu teuer für uns.” Das war im Kern die Argumentation von Vanessa und Nils. “Und wie teuer wird es denn genau?”, wollte das Team wissen. Darauf gab es erst einmal keine Antwort. Also haben wir uns gemeinsam die Zahlen etwas genauer angeschaut und erkannt: So teuer wird es gar nicht. Unser Bauchgefühl hatte die möglichen Kosten auf mehrere Monatsgehälter geschätzt, die wir bei einer vorzeitigen Entlassung aus einem unbefristeten Arbeitsvertrag hätten zahlen müssen. In Wirklichkeit fiel die Summe aber viel niedriger aus. Das wirtschaftliche Risiko stellte sich als deutlich geringer dar, als zunächst eingeschätzt. Also haben wir die Entscheidung zurückgenommen.
Im Rückblick betrachtet war dies genau richtig. Die Erkenntnis hat zudem zu zwei neuen Entscheidungen geführt:
- “Wir müssen besser im Onboarding in der Probezeit werden.”: Wir haben also den gesamten Prozess überarbeitet, wie wir neue Teammitglieder ins Unternehmen integrieren und in ihren Rollen unterstützen. So haben wir beispielsweise Objectives & Key Results als Tool für die individuelle Entwicklung unserer Kolleg*innen eingeführt.
- “Gegenseitiges Vertrauen ist Kern unserer Kultur”: Wir rütteln nicht an den Grundfesten unserer Unternehmenskultur. Sie ist uns wichtiger als ein (vermeintliches) wirtschaftliches Risiko.
Wir begreifen uns als lernende Organisation. Die Entscheidung war falsch. Und dennoch folgte daraus etwas Gutes: Mit der Einführung unseres neuen Onboarding-Prozesses integrieren wir neue Kolleg*innen schneller ins Team und bereiten sie umfassender auf ihre Aufgaben vor.
Entscheidungen treffen: Grundlagen schaffen
Nicht immer haben Entscheidungen im Unternehmen eine so große Tragweite wie im Kodak-Beispiel. Und nicht immer müssen Entscheidungen mit einer Datenanalyse unterfüttert werden. Manchmal ist es auch im beruflichen Kontext vollkommen in Ordnung, intuitiv zu entscheiden. Es gibt zahlreiche Entscheidungen, die Führungskräfte oder Mitarbeitende mithilfe ihrer Fachkompetenz oder beruflichen Erfahrung treffen können. Mathias Kruse, Product Owner bei Gieseke+Devrient, erklärt beispielsweise im Interview, warum er manchmal auch Bauchentscheidungen trifft.
Es gibt jedoch Situationen oder Themen, wo dies aufgrund der Komplexität der Fragestellung, der Vielzahl an Auswahlmöglichkeiten oder betroffenen Personen nicht möglich ist. Dann ist es wichtig, zunächst einmal Grundlagen für Entscheidungen zu schaffen:
- Thema definieren: Worüber entscheiden wir?
- Akteure identifizieren: Wer entscheidet? Wer muss noch an der Entscheidung beteiligt werden? Von wem holen wir uns Input (Ratschläge) zur Entscheidung ein? Wen müssen wir informieren?
- Alternativen herausarbeiten: Welche Entscheidungs-Möglichkeiten stehen zur Debatte?
- Informationen besorgen: Welche Informationen werden für die Entscheidungsfindung benötigt?
- Kosten- und Nutzenabwägung: Welche Kosten sind mit der Entscheidung verbunden? Hiermit sind nicht nur finanzielle Kosten in Betracht zu ziehen. Auch der Aufwand in der Umsetzung oder personelle Kosten, die mit der Entscheidung einhergehen, spielen hier eine Rolle. Und welchen Nutzen/Mehrwert bringt die Entscheidung unserem Unternehmen, unserem Team, unseren Kund*innen?
Wer trifft die Entscheidungen?
Um diese Frage zu beantworten, schauen wir uns zunächst die verschiedenen Arten von Entscheidungen an. Im Unternehmen lassen sich grundsätzlich drei Typen unterscheiden:
- Operative Entscheidungen: Hiermit sind Entscheidungen gemeint, die bei der operativen Arbeit im Team oder einzelner Mitarbeitenden entstehen.
- Strukturelle Entscheidungen: Diese Art der Entscheidung betrifft beispielsweise die Zusammenstellung eines Teams oder welche Tools und Arbeitsmittel eingesetzt werden.
- Strategische Entscheidungen: Hierbei geht es um übergeordnete Entscheidungen, die das ganze Unternehmen oder bestimmte Geschäftsbereiche betreffen. In welche Richtung steuert das Unternehmen? Auf welche Geschäftsfelder, Regionen oder Produkte fokussieren wir unsere Aktivitäten?
Die meisten Entscheidungen fallen in die Kategorie „operative Entscheidungen“. Diese können in der Regel von einer Einzelperson oder im Team getroffen werden. Strukturelle oder strategische Entscheidungen werden üblicherweise auf einer übergeordneten bzw. auf der Führungsebene und häufig von mehreren Personen getroffen.
Entscheidungen in klassisch-hierarchischen Unternehmen
In den hierarchisch organisierten Linienorganisationen des 20. Jahrhunderts herrschte häufig das Konzept des „Alleinentscheiders“ vor. Der Geschäftsführer oder die jeweilige Führungskraft trifft die Entscheidungen – ganz gleich, ob sie strategischer, struktureller oder operativer Natur sind. Dies war ein zentrales Element des Taylorismus: Die Ebenen „Denken und Entscheiden“ und „Arbeiten“ wurden getrennt. Führungskräfte entscheiden und geben Anweisungen, die Mitarbeitenden führen aus.
Und das hält sich zum Teil bis heute. In vielen Unternehmen, die eher klassisch hierarchisch organisiert sind, existiert weiterhin eine „Top-Down-Mentalität“: Entscheidungen werden von oben nach unten getroffen. Manager*innen oder Führungskräfte geben vor, was zu tun und wie die Arbeit zu erledigen ist. Das reicht bis hin zum Micromanagement.
Das gilt aber natürlich nicht für alle klassisch organisierten Unternehmen. Häufig gibt es „Mischformen“ und nicht jede Entscheidung wird von der Führungsebene vorgegeben. Je nach Entscheidungstyp oder Thema werden Entscheidungen auch in einer Gruppe getroffen, um nicht die alleinige Verantwortung übernehmen zu müssen. Manche Entscheidungen erscheinen hingegen als zu unwichtig oder schwierig, dass sie ewig hinausgezögert oder gar nicht erst getroffen werden.
Entscheidungen in agilen Organisationen
Es gibt nicht die eine agile Organisation. So wie sie sich in Struktur, Prozessen und Rollenverteilung unterscheiden, haben agile Organisationen auch unterschiedliche Formen der Entscheidungsfindung. Es gibt aber ein Wesensmerkmal, das alle gemeinsam haben: Die Entscheidungsmacht liegt nicht mehr bei einer oder mehreren Führungskräften, sondern ist auf unterschiedliche Rollen und Ebenen verteilt. Agile Teams in agilen Organisationen treffen eigenverantwortlich Entscheidungen, die ihre Arbeit betreffen. Aber auch bei strukturellen oder strategischen Entscheidungen werden die Mitarbeitenden einbezogen und können sich einbringen, sofern sie von der Entscheidung betroffen sind.
Ein guter Mitarbeiter trifft in 70 Prozent aller Fälle dieselben Entscheidungen wie sein Chef. In 20 Prozent fällt er bessere Entscheidungen, weil er von der Sache mehr Ahnung hat. Und in 10 Prozent liegt er daneben.
Warum sollten Entscheidungen von Experten getroffen werden?
In der heutigen VUCA-Welt haben es klassisch organisierte Unternehmen mit zentralisierter Entscheidungsgewalt schwer. In einem dynamischen Umfeld mit ständigen wandelnden Märkten, Technologien und Kundenbedürfnissen werden Entscheidungen zunehmend komplexer. Zudem müssen immer mehr davon getroffen werden. Diese Vielzahl und Komplexität übersteigen die Kompetenz und Expertise einzelner Führungskräfte.
Häufig sind dem Top-Management viele Probleme des Unternehmens gar nicht bekannt. Und wie sollen sie dann die richtigen Entscheidungen treffen? Um wirkungsvoll zu reagieren, müssen die Personen die Entscheidungen treffen und Lösungen entwickeln, die über das beste Wissen über die aktuellen Probleme verfügen: die Fachexpert*innen in den Teams.
In operativen Fragestellungen kann ein Team aus Fachexpert*innen die fundierteren und schnelleren Entscheidungen treffen. Anstatt Lösungen vorzugeben, sollte die Führung operative Entscheidungen ins Team verlagern und so Kompetenz und Verantwortung zusammenführen.
Entscheidungsverantwortung ans Team übergeben
Wie kann das nun funktionieren: Entscheidungsverantwortung ans Team übergeben? Gerade in der Transformation von klassischen Unternehmen hin zu agileren Strukturen ist dies ein Thema, das häufig für Probleme sorgt. Teams und Mitarbeitende sind es gewohnt, dass für sie entschieden wird. Und dahinter kann man sich gut verstecken. Die Verantwortung liegt ja bei der oder dem Vorgesetzten. Und jetzt sollen wir das plötzlich selbst machen?
Hinzu kommt das sogenannte „Gesetz der Trivialität“ (auch „Bike-Shed-Effekt“ genannt), das Entscheidungen in Teams oft erschwert: Bei vergleichsweise einfachen Themen kann jeder seine Meinung äußern – z. B. ob es notwendig ist, eine neue Kaffeemaschine fürs Team anzuschaffen oder in welcher Farbe der Konferenzraum gestrichen werden sollte. Und das führt oft zu ausgiebigen Diskussionen – jedoch nicht immer zu einer Entscheidung. Bei komplexeren Themen sind die meisten hingegen froh darüber, die Entscheidungen einigen Expert*innen zu überlassen.
Aus diesen Gründen empfiehlt sich eine schrittweise Übergabe der Entscheidungsverantwortung. Team und Führungskraft sollten zunächst folgende Fragen klären:
- Wer trifft welche Entscheidung?
- Wann binden wir andere Teammitglieder, die Führungskraft oder Kolleg*innen aus anderen Bereichen in die Entscheidung mit ein?
- Wer übernimmt die Verantwortung für (falsche) Entscheidungen?
- Wie treffen wir im Team Entscheidungen?
Ein gutes Tool, um die Verantwortung für Entscheidungen zu definieren und zu verteilen, ist das Modell „7 Ebenen der Delegation“. Sein Urheber Jurgen Appelo von Management 3.0 erklärt das Modell in folgendem Video:
6 Methoden für eine effektive Entscheidungsfindung im agilen Team
Und wie entscheiden agile Teams nun eigenverantwortlich im Alltag? Hierfür existieren eine Reihe von Techniken und Methoden, die sich für unterschiedliche Entscheidungen anbieten. In den nachfolgenden Abschnitten stellen wir Ihnen sechs davon vor.
Dot Voting: schnelle Entscheidung bei vielen Optionen
Dot Voting ist eine simple und schnelle Methode für Teams, um zwischen verschiedenen Optionen zu entscheiden. Dazu werden zunächst die Themen gesammelt, über die abgestimmt werden soll. Bei der Sammlung sollte darauf geachtet werden, dass die Teilnehmenden ein einheitliches Verständnis von den Themen haben. Idealerweise begleitet ein Agile Coach oder ein*e Moderator*in das Team durch die einzelnen Schritte der agilen Methode:
- Die gesammelten Themen werden auf Post-its geschrieben und für alle Teilnehmenden gut sichtbar auf ein Whiteboard oder einfach eine Wand gebracht.
- Alle Teilnehmenden der „Punktabstimmung“ erhalten eine gleiche Anzahl an Stimmen und stimmen gleichzeitig ab. Faustregel: Das Verhältnis zwischen den zur Auswahl stehenden Themen und der abzugebenden Stimmen sollte etwa bei 4:1 liegen. Soll beispielsweise über 12 Themen abgestimmt werden, erhalten die Teilnehmenden jeweils 3 Stimmen.
- Die Stimmen werden in Form von Klebepunkten (Dots) abgegeben. Alternativ setzen die Teammitglieder auch Striche auf die favorisierten Themen.
- Nachdem die Teilnehmenden ihre Punkte verteilt haben, werden die Stimmen ausgezählt. So ergibt sich dann ein eindeutiger Favorit bzw. eine priorisierte Liste.
Dot Voting ist eine einfache und effektive Methode, um Themen zu priorisieren und im Team Entscheidungen zu treffen. Sie hat aber auch einen Nachteil: Im Live-Kontext kann es zum Gruppendenken und gegenseitiger Beeinflussung kommen. Teilnehmende lassen sich vom Abstimmungsverhalten anderer beeinflussen und neigen dazu, ihre Punkte auf die „beliebtesten“ Zettel zu kleben.
Bei einer virtuellen Abstimmung lässt sich dieses Problem vermeiden: Digitale Kollaborationstools wie beispielsweise Mural oder Miro bieten Funktionen für anonyme Abstimmungen.
Fist to Five: Abstimmung per Handzeichen
Ähnlich wenig Aufwand in der Abstimmung erfordert die Methode Fist to five. Ziel dieser Technik ist es, die Zustimmung oder Ablehnung des Teams zu einem bestimmten Thema abzufragen. Das Team gibt seine Stimme per Handzeichen ab: Von der Faust bis zum Zeigen aller fünf Finger sind somit 6 Formen der differenzierten Meinungsabgabe möglich:
- Faust (Fist): „Veto. Die Entscheidung trage ich auf keinen Fall mit.“
- 1 Finger: „Ich habe Bedenken bei der Entscheidung. Es ist kein kategorisches Nein, es muss aber noch einiges getan werden, damit der Vorschlag umgesetzt/die Entscheidung getroffen werden kann.“
- 2 Finger: „Ich bin nicht glücklich damit und habe Bedenken, über die wir sprechen sollten“.
- 3 Finger: „Ich bin nicht mit allem zu 100 Prozent einverstanden, kann aber mit dem Vorschlag leben und trage die Entscheidung mit.“
- 4 Finger: „Ich stimme zu.“
- 5 Finger (Five): „Das ist die beste Entscheidung, die wir treffen können.“
Auch bei dieser Methode gilt: Die Themen sollten gut diskutiert und geklärt sein, dass alle Teilnehmenden das notwendige Wissen für die Abstimmung mitbringen. Im Anschluss sollte zudem noch Zeit für eine Diskussion gelassen werden, falls keine eindeutige Entscheidung zustande kommt. Hier können die Teilnehmenden, die einen Vorschlag ablehnen (Faust) oder Bedenken haben (ein oder zwei Finger), ihre Einwände äußern. Nach der Diskussion kann das Team erneut abstimmen.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Konsent-Verfahren: Lösungen werden dann verfolgt, wenn niemand ein Veto dagegen einlegt. Die Methode sorgt für eine hohe Verbundenheit mit der Entscheidung, weil niemand „übergangen“ wird. Bei größeren Gruppen kann sie jedoch zu einem hohen (Zeit-)Aufwand führen. Eine Entscheidung im Konsent-Verfahren sollte deswegen gut vorbereitet sein, um langwierige Diskussionen zu vermeiden. Die Methode bietet sich somit eher für grundsätzliche Entscheidungen an. Bei operativen Entscheidungen des Alltagsgeschäfts sind andere Methoden praktikabler.
Konsens: Einstimmigkeit ist gefragt
Diese Entscheidungsmethode wählen Teams nur bei kritischen Themen, bei denen eine einstimmige Antwort notwendig ist. Modus: Eine Entscheidung ist erst dann getroffen, wenn alle einverstanden sind.
Klingt gut: Es wird eine Entscheidung getroffen, hinter der alle stehen. Die Konsens-Methode eignet sich besonders für „reife“ agile Teams und bei Themen, die alle Mitglieder der Gruppe betreffen.
Bei zeitkritischen Themen kann die Methode dagegen hinderlich sein. Um eine Entscheidung im Konsens zu treffen, sind mitunter langwierige Diskussionen notwendig. Häufig dauert es länger, bis eine Lösung oder Kompromiss gefunden ist, dem alle zustimmen können. Das kann dazu führen, dass sich die Gruppe auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt.
Fokus-Matrix: das Wesentliche im Blick
Eine Fokus-Matrix hilft Ihnen dabei, sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Von der Struktur und Funktionsweise ähnelt sie der Eisenhower-Matrix: Mit der Fokus-Matrix bewerten Sie Ideen und Vorschläge auf Basis von zwei Kriterien:
- Mehrwert (für den Kunden): hoch/niedrig
- Umsetzbarkeit: leicht/schwierig
Aufgaben und Ideen lassen sich so in vier Quadranten einordnen. Diese Einordnung hilft bei der Entscheidungsfindung:
- Hoher Mehrwert/leichte Umsetzbarkeit: Diese Aufgaben sollten sofort umgesetzt werden.
- Hoher Mehrwert/schwierige Umsetzbarkeit: Sollte auch angegangen werden. Aufgrund des höheren Aufwands muss diese Aufgabe eventuell geplant werden. Setzen Sie gegebenenfalls eine Frist, bis wann diese Aufgabe erledigt werden soll.
- Niedriger Mehrwert/leichte Umsetzbarkeit: Kann entweder “zwischendurch” erledigt oder delegiert werden.
- Niedriger Mehrwert/schwierige Umsetzbarkeit: Diese Aufgabe sollte entweder ganz nach hinten geschoben oder direkt gestrichen werden.
Die Methode eignet sich für Teams vor allem in der Priorisierung und Entscheidung darüber, welche Aufgaben oder Projekte vorrangig bearbeitet werden.
Ritual Dissent: Schwachstellen durch vernichtende Kritik aufdecken
Ritual Dissent ist eine Entscheidungsmethode, die gutes Zuhören bedarf und bewusst (vernichtende) Kritik einfordert. Die Methode kann ein Team in Workshops oder Meetings einsetzen. Grundidee: Ein*e Kolleg*in präsentiert eine Idee vor der Gruppe. Während der Präsentation hören alle aufmerksam zu, ohne Zwischenfragen zu stellen oder Kommentare abzugeben. Nach der Präsentation dreht sich der Ideengeber*in um und symbolisiert so, dass er oder sie nicht mehr anwesend ist.
Die Zuhörer*innen haben nun die Möglichkeit, die Idee zu diskutieren und scharfe Kritik an der vorgeschlagenen Lösung zu äußern. Das vernichtende Feedback zielt darauf, kritische Probleme des Vorschlags aufzudecken. Der Ideengeber*in sammelt daraus Erkenntnisse, um auf eine Entscheidung hinzuarbeiten:
- Wo sind Schwachstellen in meinem Vorschlag?
- Was sollte ich ändern oder ergänzen?
- Was habe ich vergessen oder übersehen?
Systemisches Konsensieren: Widerstandsmessung im Team
Mit der Methode „Systemisches Konsensieren“ kommen auch größere Gruppen zu einer fundierten Lösung. Aus einer Reihe von Vorschlägen entscheidet sich die Gruppe für den, der den wenigsten Widerstand hervorruft. Je weniger „Widerstandspunkte“ ein Vorschlag hält, desto besser.
Die Methode eignet sich für Entscheidungsfindungen, bei denen mehrere Optionen zur Auswahl stehen. Systemisches Konsensieren läuft in vier Phasen ab:
- Fragestellung: Worüber soll in der Gruppe entschieden werden? In der Gruppe wird eine eindeutige Fragestellung entwickelt.
- Lösungsvorschläge sammeln: Nun sammelt die Gruppe Vorschläge bzw. Optionen, über die abgestimmt wird. Hierbei kann die Gruppe kreativ sein und vielfältige Möglichkeiten entwickeln. Alle Ideen und Vorschläge stehen am Ende gleichberechtigt nebeneinander zur Auswahl.
- Bewertung: Jeder Teilnehmende bewertet die einzelnen Vorschläge mit sogenannten „Widerstandspunkten“. Die Punkte reichen von 0 (kein Widerstand) bis 10 (ich bin strikt gegen den Vorschlag).
- Auswertung: Die vergebenen Widerstandspunkte werden zusammengerechnet. Gewählt ist die Lösung mit der geringsten Punktzahl.
Fazit
Die Zeit der Alleinentscheider*innen im Unternehmen ist vorbei. In einem zunehmend komplexer werdenden Umfeld muss die Entscheidungsverantwortung an die Fachexpert*innen in den Teams übergeben werden. Agile Teams nutzen unterschiedliche Methoden für die Entscheidungsfindung und kommen so zu tragfähigen gemeinsamen Lösungen.