Playbook Agile Methoden: 160+ Arbeitsmethoden für 2024
Neue Formen der Zusammenarbeit und speziell agile Methoden werden seit einigen Jahren immer mehr zum Standard in der Wissensarbeit. Und regelmäßig kommen Methoden hinzu, mit denen die Aufgaben des Alltags besser zu lösen sind. Im Artikel erhalten Sie eine Übersicht zu agilen Methoden im Projektmanagement, Produktmanagement und in der (Selbst-)Führung von bzw. in agilen Teams.
Was sind agile Methoden?
Unter agilen Methoden werden Instrumente zur Organisation von Arbeit und zur Zusammenarbeit zusammengefasst, mit denen die vier Kernwerte des agilen Manifests im Alltag umgesetzt werden können:
- Kundenzentrierung: Es ist wichtiger, gemeinsam mit Kund*innen Lösungen zu entwickeln, als sich an Formalien wie Verträgen und Verhandlungen aufzuhalten.
- Wirkungsfähigkeit: Es ist wichtiger, funktionierende Arbeitsergebnisse zu liefern, als standardisierte Prozesse einzuhalten.
- Anpassungsfähigkeit: Es ist wichtiger, auf Veränderungen und neues Wissen einzugehen, als einen Plan zu verfolgen.
- Verbundenheit: Es ist wichtiger, dass sich Menschen verstehen und gut zusammenarbeiten, als Prozesse und Tools in den Fokus zu legen.
Neben dem Agile Mindset sind es vor allem agile Methoden, die Teams zu Selbstführung befähigen und deren Geschwindigkeit erhöhen. Viele dieser Werkzeuge stammen aus Frameworks wie Scrum, Kanban, Design Thinking und Lean Startup. Auf der anderen Seite gibt es auch viele Methoden, die unabhängig von den Vorgehensmodellen und unabhängig von Agilität entwickelt wurden. Lernen kann man diese Methoden am besten in einer fundierten Ausbildung zum Agile Coach, Product Owner oder zur agilen Führungskraft.
Im Bereich der agilen Arbeit gibt es eine stetig wachsende Anzahl an Methoden, mit denen Teams ihre typischen Alltagsprobleme lösen:
- Entscheidungen und Prioritäten werden nach Baugefühl und Erfahrung getroffen, ohne den aktuellen Kontext und Kundenbedarf ausreichend zu berücksichtigen.
- Erwartungshaltungen, Anforderungen, Bedürfnisse und Ziele sind nicht klar definiert. Oder es existiert kein gemeinsames Bild, sodass die Orientierung fehlt und unbeabsichtigt gegeneinander gearbeitet wird.
- Verantwortlichkeiten sind nicht eindeutig definiert, sodass Aufgaben von zu vielen Personen bearbeitet werden und es zu Interessenskonflikten kommt.
- Wissen ist unstrukturiert oder nicht zielführend aufgebaut, sodass der Zeitaufwand für die fachliche und persönliche Entwicklung im Alltag zu groß ist.
- Es mangelt an Transparenz für verschiedene Stakeholder, sodass Unsicherheiten und Konflikte entstehen.
- Es werden häufig ähnliche Fehler gemacht und die Erfahrungen des Alltags fließen nicht in die Verbesserung der Zusammenarbeit ein.
Für die meisten dieser natürlich unvollständigen Liste der Alltagsprobleme gibt es mehrere methodische Alternativen. Je nach Kontext haben sie einen anderen Fokus. So helfen Empathy Maps dabei, die Perspektive einer Personengruppe nach ihren Sinnen zu strukturieren, während Personas eine Art Steckbrief sind, in dem ein ganzheitliches Bild des Lebens wiedergegeben wird. Alleine für das Thema „Zusammenarbeit verbessern“, an dem häufig mit agilen Retrospektiven gearbeitet wird, gibt es mehr als 20 agile Methoden.
In dieser Unübersichtlichkeit entstehen vielfach Missverständnisse – zu den Tools und zu Agilität insgesamt. Nachfolgend die häufigsten Verständnisfragen im Zusammenhang mit agilen Methoden:
- Wann sind agile Methoden sinnvoll?
- Sind Scrum, Kanban und Design Thinking agile Methoden?
- Wie passen SAFe und Holokratie zu agilen Methoden?
Wann sind agile Methoden sinnvoll?
Agile Arbeit ist ein Gegenentwurf zu den uns bekannten Prinzipien aus der tayloristisch geprägten Arbeitsorganisation. Diese weit verbreitete Form der Zusammenarbeit in der Prozess- und Linienorganisation wurde im Zeitalter der Industrialisierung für den Kontext der linearen Produktionsketten entwickelt. Die heute vorherrschende Kreativ- und Wissensarbeit hat ganz andere Voraussetzungen und Anforderungen.
In fachlich komplexen Themenfeldern müssen Fachexpert*innen verschiedener Spezialisierungen gemeinsam und nicht in Abfolge an Lösungen arbeiten, um tragfähige Ergebnisse zu produzieren. Und das betrifft deutlich mehr Arbeitsfelder, als allgemein angenommen. Hier ein paar Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen:
- Für die Softwareentwicklung braucht es je nach Bedarf Expert*innen für Softwarearchitektur, Informationsarchitektur, Interfacedesign, Text, Datenbankprogrammierung, Server Administration, Programmierung in bestimmten Sprachen u.v.m.
- Für die Entwicklung von Produkten braucht es je nach Bedarf Expert*innen für Marketing, Produkt / Service Design, Produktion, Logistik, Vertrieb, Pricing und verschiedene technologische Aspekte.
- Für die Planung und Verwaltung von Finanzen braucht es je nach Bedarf Expert*innen für Budgets, Buchhaltung, Löhne, Jahresabschlüsse, Steuerrecht, Rücklagen, Investor Relations, Investitionen u.v.m.
- Für eine Marketingkampagne braucht es die Perspektiven von Markenstrategen, Expert*innen für Digitale Kommunikation, Social Media, Influencer, Content Marketing, SEO, TV, Radio, Print, Messe u.v.m.
- Für die Planung eines Gebäudes braucht es die Perspektiven der Generalunternehmer sowie je nach Bedarf Expert*innen für Architektur, Innenarchitektur, TGA-Planung, Statik, Raumausstattung, Bauleitung u.v.m.
In all diesen Arbeitsfeldern verbessern sich die Ergebnisse, wenn Arbeit von linearen Abläufen zu crossfunktionaler Zusammenarbeit nach agilen Prinzipien umgestellt wird. Alle Aufgaben, die keinem klar definierbaren Standard folgen und für die der regelmäßige Austausch mehrerer Disziplinen nötig ist, profitieren von agilen Methoden.
Arbeit organisiert sich meist nach der Führungsidee, Aufgaben zu verteilen und Ergebnisse zu kontrollieren. Das funktioniert nur, wenn die Führungskraft mehr weiß, als alle Stakeholder zusammen.
Agile Formen der Zusammenarbeit sind ein Kind der Wissensarbeit. In diesem Umfeld sind komplexe Aufgaben praktisch der Alltag. Hier ist man inmitten der VUCA-Welt, in der sich Informationslage oder Rahmenbedingungen schnell verändern und Lösungswege fortlaufend angepasst werden müssen. Die vorherige Planung eines Projektes ist nur zu einem gewissen Grad verlässlich. Termine und Verfügbarkeiten verschieben sich, neue, zuvor unbekannte Anforderungen tauchen auf oder neue Optionen zur Entwicklung einer Lösung entstehen. In all diesen Fällen muss die Planung angepasst werden.
Die Stacey Matrix hilft bei der Einordnung des eigenen Arbeitsumfelds durch vier Definitionen:
- Einfaches Umfeld: Die notwendigen Schritte sind als Prozess definiert und können immer wie geplant eingehalten werden. Dieses Umfeld trifft man in der industriellen Produktion, in Handwerksbetrieben oder im Einzelhandel. Hier können agile Methoden ihre Vorteile nur sehr begrenzt ausspielen. Dafür stiftet Lean Management meist großen Wert.
- Kompliziertes Umfeld: Die Ziele eines Projektes sind klar, aber die Lösung oder der Weg dorthin muss erst im Projekt ausgearbeitet werden – entweder weil verschiedene Stakeholder unterschiedliche Lösungen vorschlagen oder weil es verschiedene Wege gibt, diese zu erarbeiten. Dieses Umfeld findet sich meist in etablierten Unternehmen, die ihre Produkte und Angebote meist nur graduell verbessern. Auch im Vertrieb oder im Kundenservice herrscht ein kompliziertes Umfeld. Hier steigt der Mehrwert von agilen Methoden.
- Komplexes Umfeld: Die Ziele eines Projektes sind grob definiert. Zugleich ist noch unklar, wie diese erreicht werden können. Einerseits muss Wissen aufgebaut werden, andererseits verändern sich die Rahmenbedingungen regelmäßig und die Team-Mitglieder müssen kurzfristig reagieren. Dieses Umfeld findet man unter anderem in Innovationsbereichen, bei der Entwicklung neuer Lösungen, in der Mode, der Softwareentwicklung, der Architektur und im Marketing. Zudem kann eine Transformation, Fusion oder eine Firmenübernahme ebenfalls für Komplexität sorgen. In diesem Umfeld haben agile Methoden ihre volle Wirksamkeit erreicht.
- Chaotisches Umfeld: Die Ziele sind vage und uneindeutig. Es sind Formulierungen wie “Wir möchten ein Problem der Zielgruppe X lösen” oder “Wir wollen um Y % wachsen”. Auf dieser Basis kann kein konkreter Plan entwickelt werden und auch die Lösung ist noch unklar. Dieses Umfeld findet sich häufig in der Forschung, im Innovationsmagement, Intra- und Entrepreneurship.
Im komplexen und chaotischen Umfeld ist der maximale Wert von Agilität erreicht. In diesen Arbeitsbereichen haben viele Unternehmen 30-50 % bessere Ergebnisse erziel, wenn die Teams selbstorganisiert und agil gearbeitet haben. Hier drei der vielen Beispiele:
Sind Scrum, Kanban und Design Thinking agile Methoden?
Agilität besteht nicht nur aus agilen Methoden. Es ist ein ganzheitliches System zur Organisation von Arbeit. Dabei sind Methoden nur eine von insgesamt sieben Ebenen:
Und hier kommt es oft zu einem Missverständnis: Scrum, Kanban, Design Thinking, Design Sprints oder Lean Startup sind keine agilen Methoden. Es sind Vorgehensmodelle bzw. agile Frameworks. Agile Frameworks sind deutlich umfassender, als eine einzelne Methode. Mit einer Sportmetapher ausgedrückt: Ein Framework ist wie das Spielsystem einer Fußballmannschaft, während eine Methode einem Spielzug mit mehreren Team-Mitgliedern gleichkommt.
Methoden und Frameworks unterscheiden sich wie folgt:
Agile Methode
- Das Team folgt einem schrittweise definierten Prozess.
- Es gibt klare Anweisungen und wenig bis keine Abweichungen.
- Meist ist eine Methode für ein bestimmtes Problem und eine bestimmte Situation entwickelt.
Agile Framework
- Das Team folgt einem phasenbasierten Ablauf wie beim Scrum Sprint, den sechs Phasen im Design Thinking oder den vier Sprints eines Innovation Huddles.
- Frameworks geben eigene Prinzipien vor, statt konkrete Regeln zu definieren. Teams sollen diesen Prinzipien so gut wie möglich folgen.
- Frameworks sind nicht an bestimmte Methoden gebunden. Je nach Situation kommen verschiedene Methoden zum Einsatz.
- Abhängig vom Framework werden weitere Komponenten als Rahmen mitgegeben: visuelle Elemente (Kanban-Board mit Kanban-Karten), Meeting-Formate (Daily Standup, Planning, Review oder Sprint Retrospektive) oder speziell entwickelte Rollen (Agile Coach oder Product Owner) komplettieren ein ganzheitliches Vorgehensmodell.
Methoden oder Frameworks
Agile Methoden sind also ein guter Startpunkt für nicht-agile Teams, um neue Formen der Zusammenarbeit auszuprobieren. Der Lernaufwand ist überschaubar, es braucht meist nur Zeit und idealerweise einen Moderator.
Den vollen Effekt agiler Arbeitsweisen und damit auch der Methoden werden Teams erzielen, sobald sie auch den Vorgehensmodellen und damit der Haltung dieser Arbeitsformen folgen.
Wie passen SAFe und Holokratie zu agilen Methoden?
SAFe und Holokratie sind Möglichkeiten, um Agilität in einem größeren Teil des Unternehmens zu organisieren – also Enterprise Agility. Diese Formen der skalierten Agilität tragen Teams in sich, die mit agilen Frameworks wie Scrum, Kanban oder Design Thinking und damit auch mit agilen Methoden arbeiten.
Scaled Agile Framework (SAFe)
Das Scaled Agile Framework ist ein sehr umfassendes System zur Organisation von mehreren agilen Teams im Zusammenspiel. Es liefert Prozesse, Tools und Rollen, mit denen sichergestellt wird, dass die Arbeitsergebnisse dieser Teams ineinandergreifen und gemeinsamen Zielen folgen.
Holokratie
Holacracy (zu deutsch: Holokratie) ist ein agiles Organisationssystem, mit dessen Hilfe die Linien- oder Matrixorganisationen abgelöst werden können. Im Kern ändert es die Aufbaustruktur von Unternehmen, schafft also z.B. die Pyramide und ersetzt diese durch ein System flexibler Kreise. Mit Holokratie kommt zudem eine andere Form der Positionsbezeichnung und des Karrieresystems. Ziel ist es, die Zusammenarbeit durch andere Strukturen zu verbessern, indem z.B. Silos abgebaut werden.
Holokratie wird oder wurde zeitweilig von Unternehmen wie Zappos, BOL.com und auch von Me & Company eingesetzt.
Agile Methoden in der Übersicht
Es gibt unzählige agile Methoden und gefühlt kommen jeden Tag neue hinzu. Auch Me & Company steuert z.B. mit dem Lean Strategy Board oder Agile Role Mapping Tools bei, mit denen Teams die agilen Werte in ihrem Alltag leben können.
Mit der nachfolgenden Sammlung verfolgen wir das Ziel, eine möglichst ganzheitliche Übersicht zu schaffen. Dabei werden wir auch Methoden aus Management 3.0, Liberating Structures und den eng verwanden UX Methoden aufgreifen. Sollte eine Methode fehlen, freuen wir uns über einen Hinweis per E-Mail.
Um der Übersicht agiler Methoden eine Struktur zu geben, haben wir drei Kategorien gebildet:
Agile Methoden im Projektmanagement
Agile Frameworks wie Kanban und Scrum sind als fortlaufende Vorgehensmodelle entwickelt und denken in Produkten statt in Projekten. Doch viele der Methoden in der nachfolgenden Übersicht sind heute meist in der Verantwortung des Projektmanagements. Es sind Methoden, die Teams bei folgenden Aufgaben unterstützen:
Agile Methoden im Produktmanagement
Auch für das Produktmanagement gibt es verschiedene agile Frameworks: Design Thinking, Design Sprints, Customer Development, Lean Startup, LeanUX, DevOps, DesignOps – die Liste lässt sich fortführen. Sie alle bringen einen Werkzeugkoffer mit Tools und Hilfsmitteln, um Teams einen Startpunkt für co-kreative Zusammenarbeit zu geben. Darüberhinaus entstehen auch neben den Frameworks agile Methoden im Produktmanagement.
Für eine gute Übersicht haben wie sie in folgenden Aufgabenbereiche kategorisiert:
Agile Methoden in der Führung
Im Kontext zu neuen Formen der Zusammenarbeit funktioniert auch die Rolle agiler Führungskräfte anders. Statt direktiv zu handeln, sorgen sie mit einem unterstützenden, transformationellen Führungsstil dafür, dass Teams einen guten Rahmen zur Selbstorganisation haben. Damit dies möglich ist, gibt es agile Führungsmethoden: